Was kocht der Chef selbst?
Frank Beermann ist seit 2007 GMD in Chemnitz. Nach der nächsten Spielzeit geht er. Wohin, das hat er noch nicht verraten. Wer sein Nachfolger wird, steht auch noch nicht fest. Der soll im Herbst verpflichtet werden, sagt Generalintendant Christoph Dittrich. Er wird sich (nach Beratung mit den Musikern der Robert-Schumann-Philharmonie) nicht so viel Zeit nehmen wie die Berliner Philharmoniker, die die Entscheidung über den künftigen musikalischen Chef mal locker um ein Jahr vertagt haben…
Beermann ist keiner, der zum Abschied leise Servus sagt. Er lässt es noch einmal richtig krachen. Als Chef kann er sich auswählen, was er machen will. Und greift noch einmal voll hinein ins (spät-)romantische Klangleben.
In mehr als hundert Konzerten hat er die Philharmonie dirigiert. Kein Werk hat er zweimal ins Programm genommen. Jetzt passiert‘s: Mahlers gewaltige 2. kommt wieder. Die Auferstehungssinfonie. Wieder (wie 2010) im April-Konzert (13. und 14.). Aber mit einer „Umbesetzung“: Julia Bauer singt den Sopran-Part… – Wir tippen: Dieses Konzert wird die Krönung von Beermanns Schaffen in Chemnitz.
Beermann ist und bleibt im Innersten Spätromantiker. Er liebt diesen Orchesterglanz. Kein Wunder, dass er Bruckners 4., die „Romantische“, ans Ende seiner Sinfoniekonzerte als GMD in Chemnitz gesetzt hat (4./5. Mai 2016). Da wird am und zum Schluss das volle Blech noch einmal dröhnen.
Auch Brahms macht Beermann nochmal (Violinkonzert, 11./12. November 2015), und Richard Strauss (Don Juan und Sinfonia domestica, 20. und 21. Januar 2015).
Zemlinsky, obwohl auch ein ganzes Stück Romantiker, ist da ein anderes Kapitel. Beermann mag die „Unterschätzten“, die er wieder ans Licht zaubern kann. Eben erst (14. Mai!) durfte/musste er bei klassik.com wieder als Kronzeuge dafür herhalten, dass er Unbekannten (in diesem Fall einem Romantiker namens Adolf Jensen, den nun wirklich kaum einer kennt) besser zur Wiederauferstehung helfen würde, als Kollegen es vermögen.
Wie vorher Korngold („Die tote Stadt“), wie Reznicek („Benzin“) holt Beermann jetzt eben Zemlinsky aus den ziemlich verstaubten Notenregalen hervor. In der Oper dirigiert er den „Zwerg“ (selten auf CD, vielleicht springt cpo an…), im Sinfoniekonzert die Orchesterfantasie „Die Seejungfrau“ (11./12. November 2015). Die ist in Chemnitz wohl noch nie aufgeführt worden. Und schlägt eine Brücke zu Mahler. Zemlinsky hatte Alma Schindler geliebt, vergeblich. Gluck, gluck, weg war sie. Und heiratete kurz nach Vollendung der „Seejungfrau“ den bodenständigen Gustav Mahler.
Zum Kapitel „Die 197. Schubert-Einspielung braucht keiner“ (auch Dirigenten wollen Blumentöpfe gewinnen) gehört auch Chatschaturjan*. Da steht ein großes CD-Projekt mit der Robert-Schumann-Philharmonie vor der Tür: Beermann will zeigen, dass der Armenier nicht nur als „Säbeltanz“-Hexer ein großer Komponist ist. Und Deutschlandradio Kultur hat schon angebissen, wird das 4. Sinfoniekonzert (9./10. Dezember 2015) übertragen. Zugunsten der Musik des bewussten Sowjet-Armeniers (Gajaneh-Suite und Sinfonie jeweils Nr.3) wird’s eben mal keinen Weihnachts-Bach oder-Händel im Dezember-Konzert geben. Dafür stehen gleich noch zwei (Sowjet-)Russen auf dem Programm (das 1. Klavierkonzert von Prokofjew und das Konzert für Trompete und Klavier von Schostakowitsch). Rrrrussischer geht nicht.
Der Name des sächsischen Bayreuth soll auch mit Beermann verbunden bleiben: So gibt’s neben zehn Stunden „Parsifal“ (Wiederaufnahme: 25. März, 24. April 2016) nochmal eine Neuinszenierung der „Meistersinger“ (Premiere: 19. März 2016, dann noch 5 Aufführungen). Das soll nochmal gaaanz großes Kino für Aug und Ohr werden. Fast 30 Stunden lang. Denn auch Regisseur Michael Heinicke hört am Ende der kommenden Spielzeit auf. Wir kommen darauf zurück. Mehrfach. Versprochen.
Für Rückblicke ist es zu früh – erst recht in einem Ausblick. Aber eines lässt sich festhalten: Einer der größten Erfolge Beermanns in Chemnitz war der legendäre Beethoven-Zyklus 2012 an verschiedenen Spielstätten, unter anderem im Straßenbahndepot der CVAG. Auch Beethoven will man neu entdecken, wenn man Beermann heißt. (Dass es da eine neue wissenschaftliche Ausgabe der Noten gibt, und der Förderverein dank der Schellhorn-Stiftung die auch gleich finanziert hat, kommt da genau passend…). Schnell, mitreißend war dieser Beethoven – ganz Musik-Chemnitz war begeistert. Und viele haben sich gewünscht, Beermann hätte im folgenden Jahr mit den Solokonzerten des Wiener Meisters noch einen drauf gesetzt. Tat er nicht. Tut er aber (zumindest teilweise) jetzt.
Im Sinfoniekonzert (20./21. Januar 2016) mit dem Tripelkonzert und auf der Spanientournee im Mai mit dem 3. Klavierkonzert.
Diese Spanien-Tournee wird noch einmal so etwas wie die Quintessenz des sinfonischen Schaffens von Beermann mit den Musikern der Robert-Schumann-Philharmonie. Klar, dass der Chef der Robert-Schumann-Philharmonie (eben feierte er große Erfolge mit den Schumann-Sinfonien in Brüssel) einen Schumann mit in den Süden bringt: die Ouvertüre zu „Julius Cäsar“ muss allerdings reichen. Von „seinem“ Beethoven hat Beermann die dritte Sinfonie und das dritte Klavierkonzert im Gepäck. Die Chatschaturjan-CDs sollen sich ja nicht nur in Deutschland verkaufen und ein Pianist reist eh mit: also steht auch das Klavierkonzert des Armeniers auf dem Programmzettel. Und da der Romantiker Beermann auch ein großer Dramaturg ist, packt er als Krönung noch drauf – na, was wohl? Richtig. Bruckners 4. Die mit dem vollen Blech. Mit der er seine Chemnitzer Sinfoniekonzerte beendet. Wahrhaftig nicht mit einem leisen Servus.
* Das Sonntagskonzert am kommenden Sonntag (17. Mai 2015) gibt einen Vorgeschmack auf das Chatschaturjan-Projekt. Auf dem Programm steht auch die deutsche Erstaufführung von „Drei Konzertarien für hohe Stimme und Orchester“.
Demnächst hier: „Primus. Der Zweite“