“Andere Städte beneiden uns”

Offener Brief zur gegenwärtigen Debatte um unsere Theater- und Orchesterlandschaft

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,

Das Wort „Theaterkrise” erzeugt Spannungen. Betrachten wir die Kulturdiskussion als Chance! Die Frage darf nicht lauten: „Können wir uns das noch leisten?”, sondern:

„Wie können wir trotz knapper Kassen das Theater in seiner Qualität und die Robert-Schumann-Philharmonie als A-Orchester erhalten?”

Sie bilden gemeinsam mit den Kunstsammlungen die kulturelle Identität von Chemnitz. Beide sorgen durch ihre beachtlichen Leistungen für bundesweite und internationale positive Schlagzeilen. Darauf müssen wir stolz sein! Für Besucher aus anderen Großstädten und Bundesländern ist es meist der einzige Grund (Dienstreisende ausgenommen), nach Chemnitz zu kommen. Auch das ist Marketing, spart Werbungskosten und bringt anderweitig Geld in die Stadtkasse! Es entsteht der Eindruck, als würde der Wert dieser Synergieeffekte für unsere Stadt gar nicht geschätzt, sondern als selbstverständlich abgetan. Hier sei die Frage erlaubt, wann haben unsere Politiker das letzte Mal das Opernhaus oder ein Konzert besucht?

Es ist daher dringend erforderlich, parteiübergreifend einen „Runden Tisch” zu bilden. Daran sollten die Verantwortlichen der Stadtverwaltung, der Fraktionen, die Intendanten (alt und neu) mit dem Aufsichtsrat, Vertreter der Robert-Schumann-Philharmonie, der Musikschule, der Mozartgesellschaft, der Kunstsammlungen, der Fördervereine, der Technischen Universität, der CWE, der Unternehmer, der IHK, der HWK, des Hotel- und Gaststättenwesens, der VHS, der Bibliotheken und weitere engagierte Bürger unserer Stadt teilnehmen. Das Ziel muss sein, eine einvernehmliche, nachhaltige Lösung zur Erhaltung unserer Glanzlichter zu finden. Ich bin überzeugt, dass sich durch eine zielgerichtete Diskussion und Bündelung der Ideen neue Wege zur Kostenoptimierung erschließen lassen. Das führt zu mehr Anerkennung in der Bürgerschaft und über Chemnitz hinaus, als gegenseitige Schuldzuweisungen.

„Wir sind Chemnitz”, das sind Sie unserer „Stadt der Moderne” schuldig, so wie das z. B. in Leipzig gelebt wird.

Wir feierten 100 Jahre Opernhaus, 100 Jahre Kunstsammlungen und das Orchester wurde vor 180 Jahren gegründet! Klangvolle Namen, die heute auf großen Bühnen in der Welt zu Hause sind, hatten ihren Ursprung in Chemnitz. Das zeigt, dass diese Einrichtungen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten erhalten blieben. Die hohe Qualität wurde nur durch Engagement, harte Arbeit und Ideenreichtum erzielt. Andere Städte beneiden uns darum.

Chemnitz als Oberzentrum mit seinem Umland ist in Sachsen der Wirtschaftsstandort. Für die weitere Entwicklung sind Kultur und Sport unverzichtbar. Fachkräfte werden auch durch eine einladende kulturelle Infrastruktur motiviert, Chemnitz zur Wahlheimat zu erklären. Seien wir selbstbewussst und kämpfen wir um den Erhalt unserer kulturellen Vorzeige-Institutionen. Sind sie erst einmal weg, ist die Chance, Chemnitz kulturell würdig zu präsentieren, vertan. Dies wäre nicht der erste Fall von unnötig versäumten Möglichkeiten (siehe IAV).
Würde z. B. Herr Kellnberger hier in großem Stil investieren, wenn er nicht an eine positive Entwicklung glaubt?
Das „Chemnitzer Modell” und der „ Innenstadtcampus” werden die Stadt attraktiver machen. Können wir da auf unsere kulturellen Leuchttürme verzichten?

Heide und Reinhard Bindig, Bürger der Stadt Chemnitz
Chemnitz, den 12.März 2013″