Beethoven 250: II + III Jeder darf mal ran

Herbert Schuch ist sich für nichts zu schade, wenn es um gute Musik geht. Und um passgerechte Interpretation. In dem exzellenten Pianisten und GMD der Robert-Schumann-Philharmonie Guillermo García Calvo  (wir werden ihn als Klaviersolisten in der „Soiree des Generalmusikdirektors am 11. Oktober mit Beethoven und Schostakowitsch hören) hat er einen Bruder im Geiste, im musikalischen Herzen und in den Fingermöglichkeiten gefunden.

Die beiden verstanden sich über alle drei Konzerte blind. Jede noch so kleine dynamische oder Tempo-Veränderung wurde gleich geatmet, Calvo ließ den Solisten brillieren, der wiederum kroch sich vor den reichen schönen Orchesterstellen in sich zurück.

Herbert Schuch, der 41jährige Rumäne, der hervorragend Deutsch spricht mit einer leisen Stimme, wie er Pianissimo-Hauchstellen im Adagio des 2. Konzerts haucht, ist in Chemnitz kein Unbekannter. Wir wissen, dass er zu jeder Schandtat bereit ist. Er spielt schon mal zwei (schwierige) Konzerte an einem Abend – 2014 das Konzert von Ullmann und das für die linke Hand von Ravel. Ein Jahr später gar, wieder, diesmal Konzerte von Prokofjew und Schostakowitsch.

Nun also am Freitag die Beethoven-Konzerte 1 und 4 (und zum ersten Mal so was wie: „Ich hatte auch einen langen Abend“), am Samstag das dritte, und am Sonntag schon wieder zwei: das zweite und das phänomenale fünfte Beethoven-Konzert als grandiosen Schluss. Und trotz aller Anstrengung immer beachtlich intensive und fordernde Zugaben: am Freitag der zweite, am Samstag der letzte Satz der Pathétique, am Sonntag gleich zwei von den gar nicht bagatelligen „Bagatellen“ op.126, Beethovens letzten Klavierkompositionen.

Was an Schuch besonders fasziniert, ist auch seine ausgeprägte Körpersprache bis in die Fingerspitzen und Pedalfußzehen, er berückt vor allem durch sein Eingehen auf jede Phrase jedes unterschiedlichen Werks. Da kann Beethoven noch halber Mozart (Konzerte eins und zwei), Weiterentwickler (drei), Sinfoniker (vier) und Triumphator (fünf) sein (dieses Fünfte ist einfach der Wahnsinn.  Zum ersten Mal am Sonntagmorgen mit Pauken und Trompeten. Und zum ersten Mal bei all den Anstrengungen der drei Tage muss sich Schuch nach dem fulminanten ersten Satz, in dem er mühelos auch alle Streicherklänge erschlägt, die schweißnasse Stirn wischen)  – Schuch folgt Beethoven in allen Facetten. Und Calvo macht mit. Die Philharmoniker selbstredend auch.

Philharmoniker ist gut. In jedem Konzert andere Gesichter: alle wollten mal ran. (Hoffen wir, dass das nicht nur mit Kurzarbeit zu tun hatte). Und alle machten begeistert mit. Am Samstag war noch nicht eine Handvoll der Musiker vom Freitag dabei, am Sonntag sahen wir wieder ganz „neue“ Gesichter, wenn auch ein paar von Freitag, weil die Robert-Schumann-Philharmonie leider nicht mehr so viel Musiker hat, dass sie – selbst diese kleine Besetzung – dreifach besetzen könnte.

Trotzdem: sie schufen einen Klang – nicht unterschiedlich identifizierbar, wenn man die Augen schloss und nicht sah, ob da Schill saß (Sonntag) oder Sandmann (Samstag), Bruder (Freitag), Tylman (Samstag) oder Trüdinger (Sonntag). Wir können jetzt nicht alle erwähnen. Volker Braun mit dem „Oboenkonzert“, das Haydn „Sinfonie“ (38 C-Dur, Samstag) überschrieb, wollen wir noch erwähnen, die teilweise an die schnellfingrig Grenzen gezwungenen zweiten Geigen, und die ersten (mit Sandmann) mit dem höchst komplizierten und offenen, aber gelungenen Einstieg in den vierten Satz der ersten Beethoven Sinfonie.

Einfach gut, dieser erste Schritt in die neue Konzertsaison. Musikalisch hätten wir uns noch die beiden „Jugendkonzerte“ Beethovens als Hör-Neuland vorstellen können, oder die von Beethoven selbst gefertigte und leider viel zu selten aufgeführte Version des Violinkonzertes für das Klavier. Nicht ganz verstanden haben wir die Corona-Belegung des Stadthalle. Gemessen an anderen Häusern geht man da sehr, sehr weiträumig vorsichtig ran. Wer weiß, wofür es gut ist.

Nach diesem Auftakt – wir freuen uns noch mehr auf die neue Konzertsaison!