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Wenn das Schwert mit dem König tanzt

Die beste: Feistel lässt das Schwert Excalibur tanzen. Vorstellbar für Siegfrieds Nothung? Wagner-Freunde würden einen Koller kriegen. Dabei steckte Nothung nur in einem Apfelbaum, Excalibur aber fest im harten Stein. Artus (Emilijus Miliauskas), der größere Briten-Siegfried, zieht es raus, wird König. Gewinnt Schlacht um Schlacht. Und liebt sein Schwert, dieses – hoppla – wunderbare weibliche Geschöpf (Helena Gläser).

Koenig ArtusPr6 webDamit schafft Feistel Bilder, die man so schnell nicht vergisst. Wie setzt er das Schwert ein? Wie führt  ihn das Schwert? Wen liebt der König mehr? Das Schwertmädchen oder Guinevere, seine Gattin? Traumhaft, wie Artus das Schwertmädchen in seinen Arm nimmt, an die andere Hand die geliebte Gemahlin, die wiederum – innerlich zerrissen – den geliebten Lancelot (Florian Seipelt) streichelt – und alle (ver)schwinden im mythisch-schwarzen Bühnenhintergrund.

Feistel gibt in seiner Choreografie auch der kleinsten Bewegung eine Bedeutung – und dieses Ballett ist an Bewegung wahrhaftig nicht arm. Aber wie bühnenbeherrschend werden die bis in die Fingerspitzen gespannten Zauberhände der Morgan le Fay (Valerija Frank)… Wie bebildert Feistel physisch das psychische „Verfallen“ in Liebe zwischen Merlin (Leonardo Fonseca) und Nimue, der Nymphe (Nicole Luketic)… Wie verräterisch tanzt der böse Mordred (der einzige Mann mit nicht ehrlich starkem, langem Tafelrundenmännerhaar – Bühne und Kostüme: Martin Rupprecht) seine Bosheit…

Gut gemacht, Reiner Feistel. Bilder über Bilder, die nicht aus dem Kopf gehen. Wie bebildert man, dass das geliebte Schwert entgleitet? Und doch da bleibt, weil Artus (wie später Babarossa) einstens mächtig wiederkommen soll? Das geliebte Schwert, tanzend, am Ende schwebend – wirklich die Königsidee dieses Abends. Wann hat  man den Widerstreit zwischen Schwertliebe und Frauenminne so eindrücklich gesehen?

Feistel führt sein Ensemble bei aller großräumig beeindruckenden Bildbewegungssprache (das ist für das Ensemble mental nicht gerade ein Spaziergang) auch zu akrobatischen Einzelleistungen, die punktgenau  jedem Sekundenbruchteilblitzlicht standhalten (das Programmheft vertieft die im schnellen Bühnenvorüberhuschen kaum wahrnehmbaren Eindrücke beredt – Klasse-Fotos wieder: Dieter Wuschanski).

Die Wirkung ist desto verblüffender, als Feistel mit der Musik nicht Einzelszenen – und schon gar nicht rhythmisierend – unterstützt, sondern Atmosphäre schafft. Feistel greift hinein ins volle (heute oft wieder auf Vinyl gepresste Platten-) Regal von epischen Klanggemälden, von Romantik über Symphonic Rock bis Pop. Manche Stücke haben tatsächlich was mit der Artus-Sage zu tun wie etwa Lee Holdriges „The Cave Ceremony“ aus „The Mists of Avalon“, jener – nebenbei – im Gegensatz zu Feistels Ballett kitschigen Version des Artus-Stoffes für den US-TV-Zweiteiler von Bernd Eichinger.

Die anderen Titel erzählen dagegen von (zum Beispiel) Mongolen-Kämpfen (Lisa Gerrard, The Silver Tree), dem Überlebenskampf von abgestürzten Ölbohrern in Alaska (Mark Streitenfeld, The Grey) oder der „letzten Versuchung Christi“ (Peter Gabriel für Martin Scorseses Film).

Das mag den Tänzern nicht unbedingt dienlich sein, passt aber alles erstaunlich gut zu diesen Grundstoffen, aus denen Sagen-Trünke gemixt werden, dass sie im Film oder der Spiele-Konsole oder der Bühne wirken. Nur – bisschen Kritik erlaubt? -: muss der Lautstärkepegel immer so gleichartig sein, bei langsamen und aufgewühlten Titeln, bei vollem Orchester oder den Arpeggien einer einzigen Geige, bei der man das Kratzen beim Streichen (und die falschen Töne) so durch die (gut gesteuerte) Beschallungsanlage herausboxt wie bei Arvo Pärts „fratres“?

Und noch eine Anregung: Eine Premiere ist ein gesellschaftliches Event. Da wollen die Menschen vorher und in den Pausen miteinander reden. Sich nicht unkommunikativ ins Programmheft vermümmeln. Aber wer hat schon den Artus-Stoff drauf und parat? Wer kennt die Feistel-Version vorab (außer z.B. den Fördervereinsmitgliedern, die vorher eine Probe besucht haben)? Übertitel vor jeder Szene würden das Geschehen sofort verständlich machen und den Genuss des Abends verstärken. Die Vorlage gibt’s ja: Dramaturgin Carla Neppl hat wunderbar kurze, prägnante und informative Szene-Inhalte geschrieben…

Die nächsten Vorstellungen: 2., 4., 26. April, 15. Mai 2014
Die Vorschau auf der Theater-Seite
Das schreibt Michael Meyen in Kulturkonsument
Ausschnitte im Video

Premiere im Rückblick: Geglückte Uraufführung von Reiner Feistels Ballett „König Artus“ in Chemnitz