DonPasquale KirstenNijhof

Publikum feiert sich und schöne Stimmen

Dass der 21jährige Nils Braun kein junger Wilder oder gar ein Opernrevoluzzer ist, hatte sich schon beim Casting vor einem Jahr abgezeichnet. Mit seiner schlagfertig munteren Überzeugungsrede hatte er das Publikum schnell auf seine Seite gebracht und die beiden Mitkonkurrenten-Teams ausgestochen. Dass das Publikum sich seinen Regisseur selbst „backen“ darf, war eine Idee von Generalintendant Christoph Dittrich und Patrick Wurzel, dem Direktor Künstlerische Planung und Betriebsdirektor Oper. Aus den zehn besten Teams beim weltweit renommierten „Ring“-Award in Graz, bei dem diesmal mehr als 100 junge Regie-Teams ihre Chance suchten, hatten Dittrich und Wurzel drei eingeladen, nach Chemnitz zu kommen und sich beim Publikum um die Chance zu bewerben, ihre Vorstellungen von Donizettis „Don Pasquale“ verwirklichen zu können. The winner was Nils Braun. Und gemessen am Beifall nach der Premiere haben alle alles richtig gemacht. Das Experiment ist geglückt.

Nils Braun (Regie) und Oliver Burkhardt (Bühne und Kostüme) arbeiten Hand in Hand. Dritter im Bunde ist der Lichtgestalter Mathias Klemm. Und so entwickelt sich mit der Geschichte der „schweigsamen Frau“ (Richard Strauss griff später das Thema wieder auf) des Donizetti -Librettisten Giovanni Ruffini und des Regisseurs Nils Braun auch das Bühnenbild. Schon bei der Ouvertüre fällt der stuckgipserne Amor von der Wand – heißt: Mit Liebe hat das Geschehen nun wirklich nicht viel zu tun, so sehr auch davon gesprochen und gesungen wird.

Das zweidimensionale Bühnenbild stellt zunächst den großen Vorsaal eines Palastes mit Blick hinaus auf eine Art Versailles-Garten dar. Im Lauf des Geschehens wird es dreidimensional. Die gemalten Geländer bekommen eine wirkliche Treppe, der angedeutete Tisch kommt aus der Wand, und auf der gegenüber liegenden Seite dreht sich das Sofa mit dem Notar heraus. Das akademisch klassizistische Mädchen-Gemälde an der Wand verschwindet hinter einer „moderneren“, weil lebendigen Orgien-Szene aus dem antiken Rom (ja, Norina bringt Leben in die Bude des verstaubten Don Pasquale), und der Versailles-Park mutiert in ein wahrliches Pflanzen-Spektakel wie aus dem Dschungel-Buch. Matthias Klemm, der Lichtgestalter, ist stets auf der Höhe des Geschehens. Jede Stimmung wird mit einer anderen Lichtfarbe unterstrichen, Verfolger-Scheinwerfer, eckig oder rund, markieren Effekte, und kitschig blutrote Spots illustrieren, wo gipserne Wandelemente die Allgültigkeit des Geschehens unten auf dem Bühnenboden bereits illustriert haben.

Auch die Kostüme malen aus. Ernesto, der Liebhaber, kommt buntscheckig daher wie ein Mozart- Pedrillo oder Belmonte vom Serail an der türkischen Küste, Norina (ge-)wandelt sich von der Diana im Bade zur Pompadour und schließlich zum Rosenkavalier, und Malatesta, der allgegenwärtige Verführer kommt gar im klassischen Rot-Schwarz eines Mephisto daher. Munteres Leben zeigen soll der Chor: in farbtupfernden Römer-Togen wie beim Karneval oder der Abi-Party eines humanistischen Gymnasiums, an dem noch Latein gelehrt wird.

Ja, es gibt mächtig was aufs Auge in dieser Inszenierung der jungen Männer aus Baden und Sachsen (Braun, geboren in Köln, wuchs in Baden-Baden auf, Burkhardt wurde um die Ecke, in Grimma, geboren). Aber Hauptsache bei Donizetti ist diese wunderbare Musik, in die man sich auch mit geschlossenen Augen hineinlegen will wie Norina in ihr Schaumbad vor der Augen-irritierenden Blumen-Tapete. Stefan Politzka, der 2. Kapellmeister der Robert-Schumann-Philharmonie, ist ein gewiefter Kenner der leichteren Muse, die ihm gern anvertraut wird. Er kann swingen mit seinem Orchester, er kann es in der Stretta jagen – und er kann „sentimental“ wie in der Begleitung der Arie des zwischenzeitlich am Boden zerstörten Ernesto im Duett mit der Trompete, die klingt wie die von jenem aus Säckingen. Vielleicht hat Victor Ernst Nessler die Anregung für seine Trompeter-Oper hier bei Donizetti geholt….

Die Sänger trägt Politzka nicht auf den Händen, er fordert sie heraus: Aber Guibee Yang (herrlich ihre Badewanne-Arie) hat keine Mühe, ihren hellen Sopran auch über alle Tenorbasschororchesternoten zu erheben. Dem Chemnitzer Publikumsliebling aus Südkorea liegt auch das italienische Fach. Ihr Geliebter Ernesto (Cosmin Ifrim) ist nicht immer freundlich mit ihr. Sie dreht ihm ja auch die eine oder andere Nase. Ifrim zeigt im Duett mit Norina, wer das Sagen (oder das Singen) hat. Da hat es die zarte Norina nicht leicht. Ifrim hat ansonsten eine schöne, warme Stimme. Kkkrraaftvoll auch in den Höhen.

Andreas Beinhauer, der Malatesta-Mephisto, hat verdient, dass ihm Donizetti so wunderbare Noten in die Stimmbänder geschrieben hat. Er ist seit drei Jahren Ensemble-Mitglied. Und mit jeder Rolle gefällt er uns noch besser.  Noé Colin muss als Don Pasquale alle Dummheiten des Komponisten und alle Streicheleinheiten des Regisseurs (Pasquale „ist vielleicht gar nicht so böse, wie er beschrieben wird“) spielen und singen. Und das tut Colin mit allem stimmlichen und schauspielerischen Talent.

Braun und Burkhardt scheuen sich, wie Braun selbst sagt, nicht vor Klischees. So kommt der Chor daher wie eine Palette mit Farbtupfern, Abziehbilder kleben sich im Kopf der Zuschauerin wie in das Poesiealbum von dereinst. Gesungen haben die Damen und Herren, die Pietro Numico einstudiert hatte, wunderbar. Sage keiner, dass diese Leichtigkeit Donizettischer Kammerchor-Komposition leicht zu singen ist. Und bei aller Farbtupfer-Bewegung muss sie auch noch höchst präzise sein – gut gemacht. Hat uns sehr gefallen.

Schöne Stimmen, tolle Musik, farbenprächtige Inszenierung ohne Ösen und Haken – und das Publikum hat auch noch recht gehabt und sich die richtigen Regisseure ausgesucht: Herz, was willst Du mehr. Logo: Viel Beifall. Der kam auch.

Die nächsten Vorstellungen: 25. und 31. Mai, 15. und 23. Juni