Nach 2018: Sören Hornung gewinnt auch den Chemnitzer Theaterpreis 2020

Das Gewinnerstück “ARCHE NOA. Das Ende vom Schluss” wird  am 8. Mai 2020 uraufgeführt –

Er hat es wieder geschafft: Mit „Sieben Geister“ hatte Sören Hornung schon 2018 die Jury des Chemnitzer Theaterpreises für junge Dramatik überzeugt. Mit seinem neuen Stück “ARCHE NOA. Das Ende vom Schluss” gewann er den mit 5.000 € dotierten Preis auch 2020.

Sören Hornungs neuer Theatertext stellt eine überdrehte Diagnose der Zeit. Mit Haltung aber ohne Zeigefinger. Mit Witz aber bitterem Ernst. Im Fahrwasser kapitalistischen Wirtschaftens – hier einemSuperSupermarkt – wird Sprache die Kraft zugesprochen, Welt bzw. Weltsicht zu prägen.

Vorgeschichte: Simone arbeitet als Aushilfe in einem SuperSupermarkt. Sie wird hierhin und dahin geschickt, kaum jemand beachtet sie. Also schreibt sie ein Büchlein über einen grausamen Nebel, der alles und jeden verschlingt. Ihre Fiktion, besser ihr apokalyptischer Albtraum wird wahr und das Drama beginnt. Aus Simone der Aushilfe wird die Herrscherin über den einzig rettenden Supermarkt und überall draußen herrscht ein Nebel des Grauens, der die Menschen angstvoll herumirren lässt. So auch Dietmar. Schließlich findet er die Tür zum rettenden SuperSupermarkt. Doch auch im Markt geschehen seltsame Dinge: Simone verkauft Dietmar Produkte, die er nicht braucht. Eine tote Mutter beschimpft ihn und berichtet von einem Kreuzfahrtschiff, das mittels Geld am Laufen gehalten wird. Und der Bundeswehrsoldat Karl Schmidt, Drohnenpilot, stellt einen Zusammenhang zwischen der Existenz von 3-D-Druckern und Terrorismus her. Doch die Zeit wird knapp. Die Kühlung fällt aus, das Eis schmilzt und eine Sintflut droht. Den Überlebenden bleibt nichts weiter übrig, als sich auf die Regale des Supermarktes zu retten. Während Dietmar mutierte Fische angelt, baut Simone an einer Arche, um dem Grauen zu entkommen. Doch Gott wäre nicht Gott, wenn er sich in diesem Moment nicht der Menschen erbarmte. Dumm nur, dass sich Gott als Geschichte der Menschen entpuppt, also nur durch die Menschen existiert. Dennoch hat er etwas im Gepäck: die Geburt der Macht aus der Angst.

Wenn eine groschenheftgebildete Figur sich eben einen Nebel des Grauens einbildet, dann wird dieser wahr. Was Mensch zur Einwirkung kommen lässt, prägt seine Weltsicht und sein Handeln. Auf anderer Ebene weist der Nebel auf einen Zustand der Unerkennbarkeit von Akteuren, Zusammenhängen und Antagonismen des Kapitalismus, weil dafür keine Sprache mehr zur Verfügung steht, sie wurde von der Ökonomie usurpiert. Hornung spielt denn auch mit Sprache, setzt Worte, Sprachfetzen, Zitate und vertraute Zusammenhänge in neue Kontexte, verfremdet allzu vertraute Sinnsetzungen und generiert absurden Witz. Genau wie Gott erscheint der Kapitalismus als eine Fiktion, ein Masternarrativ, das dem menschlichen Zusammenleben zwar Struktur gibt, aber vielleicht nicht die einzig mögliche Erzählung ist.

Die Jury des diesjährigen Chemnitzer Theaterpreises für junge Dramatik bestand aus Andrea Czesienski (Lektorin henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin), Lisanne Hirzel (Schauspielerin der Theater Chemnitz), Johannes Schulze (Vorsitzender des Fördervereins der Theater Chemnitz), Matthias Huber (freiberuflicher Dramaturg und Regisseur) und René Schmidt (Schauspieldramaturg der Theater Chemnitz).

Uraufführung: 8. Mail 2020, 20:00 Uhr, Schauspielhaus Chemnitz, Ostflügel. Regie: Matthias Huber,     Ausstattung: Cleo Niemeyer
Sören Hornung, geboren 1989 in Berlin, arbeitet als Regisseur, Autor und Performer.
Bereits 2010 war er Regieassistent bei der Fernsehserie Schloss Einstein und inszenierte am
Schlossplatztheater Berlin. 2012 gründete er mit Paula Thielecke das KOLLEKTIV EINS, welches zurzeit im Rahmen des Fonds Doppelpass (in Kooperation u. a. mit dem Schauspiel Chemnitz) von der Kulturstiftung des Bundes gefördert wird.
2015-2016 absolvierte er sein Regiestudium an der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg. Seine Inszenierung von Ibsens Ein Volksfeind wurde 2015 zum Körber Studio Junge Regie eingeladen. Zeitgleich begann er regelmäßig als Schauspieldozent an der Hochschule für Musik und Theater Rostock zu arbeiten. Im Jahr 2017 war er für den Osnabrücker Dramatikerpreis nominiert und mit dem KOLLEKTIV EINS bei dem Festival Spieltriebe 7 am Theater Osnabrück vertreten. Sein Stück Sieben Geister wurde 2018 mit dem Chemnitzer Theaterpreis für junge Dramatik geehrt und zum Heidelberger Stückemarkt eingeladen. DIE LEGENDE VON SORGE UND ELEND wird in Form einer szenischen Lesung zum Festival 30 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION – MAUERFALL
in Berlin präsentiert. –  Er arbeitete bisher u. a. für das Schauspiel Stuttgart, das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin und das Volkstheater Rostock.