Cello-Freunde

Dr. Roman Placzek und Dr. Elena Victoria Nezhdanova sind auf einer Tournee, die sie schon nach Dresden, Prag, Jeseník führte, Horažd’ovice folgt noch. Jetzt also Chemnitz. Statt Frack oder Smoking Werktagshemd. Aber Musik zum Niederknien. Alles drin, was das Herz begehrt. Das „Ave Maria“, das Gounod über Bachs Wohltemperiertes Klavier geschleiert, und das John Salmon für seine Cello-Version noch etwas erweitert hat, auf dass die Tränen voller Entzücken oder Trauer noch inniger flössen, des Mähren Bohuslav Martinůs herzhafte und neben allen virtuosen Parade-Stellen (was für ein Klavierpart!) bisweilen so innige 3. Cello-Sonate (hört man so selten, schön, dass sie an die Stelle der ursprünglich geplanten Chopin-Sonate gerückt war), Rachmaninows berühmte Vocalise, die kein Streicher auslässt, der was auf sich hält.

Placzek ist ein Cellist, der zupacken kann, bei Bohuslav Martinů etwa. Begeistert aber hat er sein Publikum im Kraftwerk eher mit den sentimentalen, ruhigeren Stellen. Hochmusikalisch, jede Note gestaltet, keine Sekunde in Kitschnähe – „edel“ ist wohl der richtige Ausdruck dafür. Es hätte nach dem Ave Maria und der Vocalise nicht noch des Dvořák-Lieds bedurft, um gerührt zu sein vom Singen dieses Cellos in Meisterhand – ganz so, wie der Komponist gefühlt haben könnte „als die alte Mutter mich noch lehrte singen“, wie der Text klingt, den so viele Sänger gesungen und Instrumentalisten in Arrangements gespielt haben.

Tja, und dazwischen die Überraschung für Chemnitz: das Duo für zwei Celli von Friedrich August Kummer, dem frühromantisch Jüngeren, der noch das deutsche Kaiserreich erlebte. Der Vater war Oboist in der Meininger Hofkapelle gewesen. Oboe spielte auch der Sohn, ehe er in der Dresdner Hofkapelle sein geliebtes Cello streichen durfte. Wie herrlich, was er auch als Komponist für sein Instrument zauberte, darunter dieses Duo. Sie hatten sicher nicht viel Zeit zum Üben, Placzek und Jakub Tylman aber sie spielten ein Herz und eine Seele – dieses Andantino, gezupft begleitend (verwandt dem Bach/Gounod vom Beginn) vom einen (Tylman) und melodiös geführt vom anderen: Höchstmaß an gemeinsamem Atmen trotzdem in Dynamik, Tempo, Vorhalten.

Traumhaft, wenn sich zwei Solisten so blind verstehen wie Placzek und die Nezhdanova. Noch ergreifender, wenn das einfach mal so en passant „passiert“ – die Menschen im Kraftwerksaal am Montagabend waren aus dem Häuschen. Und Haus-Chefin Ute Kiehn-Dziuballa konnte sich nicht nur „glücklich schätzen über diesen wunderschönen Wochenbeginn“, sondern auch sicher sein, dass sie für alle sprach, als sie Jakub Tylman besonders dankte. Der hatte wieder mal ein goldenes Händchen beim Programm und in der Auswahl der Gäste bewiesen.

Nächste Spielzeit nach der Sommerpause: 24. September