Akademisten: Jung – aber Profis

Hartmut Schill, Konzertmeister der Robert-Schumann-Philharmonie, morgens bei Beethovens Siebter noch so engagiert, dass es seinen Bogen ein paar Haare kostet, erklärte, warum er sich ebenso für die Akademisten engagiert: Die jungen Leute seien einfach so gut, dass die Mentoren beschlossen hätten, sie nicht nur für die Konzert-Praxis auszubilden, sondern auch in Kammermusik.

Toll, wie gut das gelungen ist. Vom Solo-Auftritt bis zum Sextett – das war ein professioneller Auftritt von hoher Qualität. Uta Herfurth, die 25-jährige Geigerin, die noch viel jünger aussieht, spielte den dritten Satz aus der Sonate des Zeitgenossen Ami Maayani mit allen in Tonalität und Dynamik ungewohnten Arpeggien und Doppelgriffen so musikalisch und klangreich variiert, dass bei geschlossenen Augen einer der Großen der Zunft hätte dastehen können.

Wie gut (oder nicht) Künstler sind, zeigen sie aber gerade an „einfachen” Stücken, wo man nicht technisch brillieren kann, wo man zeigen kann/muss, ob man Musiker ist oder nur Handwerker am Instrument. Die vorbarocken Duos, die allzu gern kleinen Musikschul-Eleven auf die Pulte gelegt werden, wodurch nicht nur sie, sondern auch die Eltern genervt werden, entpuppten sich, als Uta Herfurth und ihr Mentor Hartmut Schill sie spielten, als kleine Perlen.

Topp das Trio der Akademisten zu Beginn: Der erste Satz aus Schuberts Streichtrio B-Dur mit einer wunderbar sonoren Bratsche (Khachatur Yengoyan), dem unerschütterlich Fundament gebenden und wettstreitenden Cello (Diethard Krause) und – drüber – die vollklingende (tolle) Geige (nicht nur die Geigerin ist gut, sie hat auch ein schönes Instrument) von Uta Herfurth.

Himmel, dachte ich da, gut, dass der Förderverein die Akademisten unterstützt. Die verdienen es wirklich.

Da war noch gar nicht das Schostakowitsch-Quartett (Nr. 7, fis-moll) an der Reihe. Die Streicher mögen es (weil man die leeren Saiten nutzen kann), obwohl es im Zusammenspiel schwer ist, Himmel und Hölle darzustellen verlangt, oder die schöne Idee und die grausame Wirklichkeit des stalinistischen Systems. Schostakowitsch, geprügelt wie ein Hund (von den amerikanischen Musik-Wessis, darunter viele deutsche Exilanten, denen er vorgefertigte Propaganda-Reden halten musste), macht ein Fass von Himmelhoch-Jauchzendem und zu Tode-Betrübtsein auf. Und das mutet Schill, der an der ersten Geige den Ton angab, den jungen Musikern zu. Hut ab, großes Kompliment. Das war so passend und stimmig… Ich hätte noch stundenlang zuhören können.

Einschub: die Meister wollten selbst mal zeigen, was sie draufhaben. Hartmut Schill und Matthias Worm – Chefgeiger und Chefbratscher der Philharmonie. Klar, dass das gut war. Keine Frage. Aber die Pädagogen in den beiden zeigten den nach Schostakowitsch, Maayani und anderen Gipfelstürme verlangenden Komponisten, mit denen junge Musiker gern beweisen wollen, wie gut sie sind, wie schwer der „einfache” Mozart sein kann, wenn er gut rüberkommen soll. Wie oft steht ein Mozart am Beginn eines „großen” Konzertabends. Und wie oft geht er in die Hose. Weil: „Kennen und können wir ja…” Von wegen. So offen, so „gewöhnt” dass jeder Zuhörer jeden falschen Viertelton hört: Mozart verlangt alles. Und die beiden – morgens schon im Sinfoniekonzert gefordert, gaben auch alles. Es war einfach schön (was ein professioneller Kritiker nicht gestehen dürfte, zugegeben).

Zum Schluss die beiden ersten Sätze aus dem Streichsextett B-dur von Johannes Brahms – Thomas Bruder, der Mentor am Cello, hatte sich dazugesellt – so stark gespielt, dass Hartmut Schill, oder wer auch immer die Programmgestaltung übernommen hatte, es wagte, das Kammerkonzert mit einem Pianissimo ausklingen zu lassen. (Beermann hatte morgens noch mit dem Fortissimo der Siebten abgeschlossen. Weil sie noch wirksamer ist als der vierte Satz der Vierten). Mit einem Pianissimo den Beifall rauskitzeln, das wagen nur Starke. Und Könner.

Beim Akademistenkonzert waren Könner am Werk. Wunderbares Konzert. Hoffentlich schaffen wir es, dass es künftig mehr Akademisten in Chemnitz gibt. Eine richtige Orchesterakademie. Wir arbeiten daran. Der Theaterförderverein hat das neue Schauspielstudio geschafft. Warum nicht eine Orchesterakademie. Wir brauchen Hilfe dazu. Wir bitten darum.

Auf dem Neumarkt ist die Stimmung nicht mehr so gut. Die DFB-Elf ist „bemüht”, heißt es im Life-Ticker. Es ist Halbzeit. Unentschieden. Das waren die Akademisten nicht. Sie sind weder „unentschieden” noch nur „bemüht”. Sie sind Könner. Gut so.

Dazu passt: Porträt von Uta Herfurth in der Freien Presse vom 16. Juni (online nur für Abonenten)