Zwischenbeifall für eine Leiche

Der Autor hat immer Recht, sonst würde er nicht gespielt. Cooney meint, eine Farce, so tauft er selbst seine „Komödie“, habe mehr mit der Tragödie zu tun. Ehrlich, ist mir shitegal. Ich habe gelacht. Und mich gefreut über die Schauspieler, die nach Sekunden in Schweiß gebadet waren, und Gag über Gag präzise abfeuerten, ohne ins Loch zu fallen.

Vor vielen Jahren gab’s im (West-)Fernsehen „Klimbim“ mit Ingrid Steeger und Peer Augustinski. Kein Mensch hat’s angeguckt (schaut ja auch keiner in den „Playboy“). Heute ist die Serie Kult. Serie ist ein gutes Stichwort. Hier bei „Außer Kontrolle“ kommen die Gags seriell alle auf einen Haufen. Präzise auf den Punkt. Das ist schwer, sauschwer.

Die Gag-Schreiber von Harald Schmidt wissen ein Lied davon zu singen. Und soll ja nur keiner glauben, dass Oliver Welke in der „heute show“ so locker ist, wie er sich gibt. Wenn da ein Gag nicht funktioniert, ist alles Sch…

Das Inszenierungsteam um Heimkehrer Tilo Krügel (der Chemnitzer tummelt sich ja jetzt lübbejobmäßig in Leipzig) hat ganze Arbeit geleistet. Und mögen die Gags noch so gähn mit Bart sein, sie sitzen. Und wenn eine Leiche, die selbstredend keine ist, Szenenbeifall bekommt, ist das schlimm?

Im Programmheft steht das Regieteam unter den Schauspielern in der zweiten Reihe. Hoppla. Der Director (sprich dairecter) unter seinem Fußvolk? In Hollywood gäb’s so was nie. Lass uns Provinz sein. Alles ist gut. Tilo Krügel ist selbst Schauspieler. Wahrscheinlich hätte er sogar gern den Migge gemacht. Er liebt seine Leute und will, dass sie rauskommen, groß rauskommen.

Das spürt selbst das pp.-Premierenpublikum jede Sekunde. Stefan Migge rast durch die Kulissen, holt Luft, erfindet eine neue Story, bis ihm die Puste ganz ausgeht. Läuft im Leopardenslip rum und macht sich zum Affen, dass sich mein Sitznachbar kringelt vor Lachen. Zwei Stunden lang topfit den Chaoskämpfer mimen, da musst du zwei Stunden verrückt sein, und ein Schauspieler, der alles drauf hat.

Philipp von Schön-Angerer spielt den dummen August-Sekretär. Der Chemnitzer Künstler Klaus Süß macht immer Narren und Könige, weil sie nicht zu unterscheiden sind. Schön-Angerer ist der kluge Depp, der Spontangeschichtenerfinder und – was für eine geile Szene – Super-Mann, der Jungmann, der plötzlich jede Frau auf’s Kreuz legt, wenn sie nicht gerade unter das runterfallende Guillotine-Fenster fällt. King Superman, der Alien…

Ulrike Euen blökt Blödkuh, Hochschläferin, die ihren Liebhaber siezt, oppositionelle Dummwichserin selbst im Negligée, das eher Betthäschen-Kostüm für doofe Staatsministerverführung ist. Und was sie ihr für Haare verpasst haben! Geh in Chemnitz am Samstag in die Innenstadt… Sage keiner, diese Farce sei realitätsfern. Aber Sexy-Legmichum hatt Mordsschiss vor ihrem Alten, der Brutalo und Weichei in einem ist.

Den schreit Ulrich Blöcher muskelprotzend raus, um Sekunden später an den Weichteilen des vermeintlichen Leidensgenossen sich die Seele aus dem Leib zu jammern. Im Frottee und mit Stiefeln, türenzertrümmernd und Nixkapierer: der macht, was Menschen sich nicht trauen. „Die soziale Welt ist eine Bühne…“ sagt immerhin Lord (!) Dahrendorf im Programmheft. Der ging einstenmals nach London. Liebte den britischen Humor. An Blöcher hätte er sich totgelacht – nö, das macht ein Lord nicht. Er hätte sich einen Sherry bringen lassen.

Den geiferschleimigen Brüstchenschauer und Obermafiasauhund Hotelmanager gibt Martin Valdeig. Agathe MacQueen (Kostüme) hat ihn in unschuldiges Jungs-Baby-Blau gehüllt. In noch nicht mal Halbseidenes. Eher billiges Dederon oder Perlon. So spielt er den Wasbinichdochfüreingroßartigermachtmenschdummlack. Zum Schießen!

Ulrich Lenk als (Kellner steht im Stück) Zimmerservice. Der Klügste von allen. Der „Reichste“ im Hotel. Der Durchblicker. Merken wir Doofis allerdings erst ziemlich zum Schluss. Verpflastertes Wunderüberraschungstier. Trägt ständig ein Saunahandtuch. Schwitzt wohl beim Handaufhalten. Der Narr, der gagiger ist als alle Gag-Könige. Große Rolle.

Zwischenbeifall-Leiche Fabian Jung ist als „Körper“ sprachlos mindestens genauso „sprechend“ wie als sprechender Detektiv. Spiel mal so, wie sie dich angemustert haben. Hosenträger hintern vorn. Fabian Jung kann das.

Letztes Jahr war Bianca Kriel noch Studentin im Studio. Jetzt fummelt die neureiche Ministergattin (Küss die Hand, gnä‘ Frau, wenn wir am Ring und nicht in Westminsternähe wären) ihren Pelz um den kaum verhüllten Busen und mimt die tragisch (hat Cooney doch Recht?) Unbefriedigte, als ob ihr die Lady auf die nackte Haut geschneidert wäre. Gut, dass die jetzt zum Chemnitzer Ensemble gehört. Die Mimik der Mimin – klasse.

Dann noch Magda Decker. Schwester VomHimmelhochdakommichherichmusseuchsagenuntenreitztesmichsehr. Jungfrau, wir dich grüßen… Typen waren das, Tilo Krügel hat die Richtigen richtig gebrieft, wie das in Cooneys Heimatspeech heißt. Sie hat das toll gemacht. Und bei dieser Gelegenheit auch ein Kompliment an den Übersetzer Nick Walsh für Slapstickdialoge, die – Himmel –  nie neu, aber immer überraschend waren. Das musst Du erst einmal hinkriegen.

Richard III. sprach die Stimme aus dem off. Lachte sich krümelig und saß im Publikum. Susanne Stein…

Nach rechts oder nach links schauen, ob man lachen darf? Sch… drauf. Zu viel Boulevard im Schauspielhaus? Lass mich in Ruhe. Die Chemnitzer können nicht lachen? Päääh. Gebt die Kontrolle auf. Lacht Euch krumm, wenn Ihr es Euch traut. Wer ist nie „Außer Kontrolle“?