Dass die „Spielzeit im Kraftwerk“ Kammermusik vom Feinsten bietet, das haben wir nun schon öfter erlebt, seit Jakub Tylman mit ein paar Kollegen diese außergewöhnliche Reihe von Kaßberg-Konzerten vor zwei Jahren aus der Taufe hob. Montags, früher Abend, Normalklamotten, kein Eintritt. Aber außergewöhnliche Musik. Das ist das Konzept, wie man Leute mit „Klassik“ bekannt macht und ihnen dabei gleich noch den Start in die Arbeitswoche versüßt.
Diesmal stand ein besonderes Kleinod auf dem Programm, nicht so oft gespielt, weil sauschwer, aber ungemein reizvoll. Saint-Saëns nannte seine erste Violinsonate selbst die „hippogriff-Sonata“. Nur Fabelwesen (wie geflügelte Pferde – so die Übersetzung des griechischen Hippogryph) könnten die immensen technischen Schwierigkeiten – vor allem im 4. Satz – bewältigen, meinte der Komponist, der vor der geplanten Uraufführung schon mal auf die Nase gefallen war, weil der Geiger, immerhin ein Schüler des damals berühmtesten Violinisten, Joseph Joachim, vor den Schwierigkeiten kapituliert hatte.
Luděk Růžička und Georg Wendt können heute darüber nur schmunzeln. Aber richtig lachen können sie auch nicht. Denn das Ding hat es wirklich in sich. Diese extrem schnellen Läufe, die fast nicht aufhören wollen, da bleibt kaum Zeit, mal Luft zu holen… Diese Genauigkeit, wenn plötzlich Geige und Klavier im Gleichschritt die Treppe runterpurzeln – wenn da nicht alles passt, dann bleibt nur ein plauz…, auf die Nase gefallen. Schwieriger als manches Solokonzert alle beiden Stimmen, und dann muss das Zusammenspiel auch noch absolut sitzen, sich jeder zurücknehmen, wenn der andere glänzen darf, reinhauen, wenn „Tutti“-Gedonner verlangt ist. Die beiden Solisten machten das prachtvoll, auch wenn sie den heiligen Saëns wegen seiner Noten-Teufeleien bei den Proben wahrscheinlich öfter verflucht haben.
Ganz anders der Bach (Sonata V) zu Beginn. Technisch nicht schwierig. Aber musikalisch eine Herausforderung. Manchmal sind 32stel angenehmer als ewig lange Töne, die dann auch noch zu gestalten sind, sogar auf der leeren G-Saite. Mutig von den beiden Solisten, dieses Nichteinspielstück an den Beginn zu setzen. Der Mut lohnte sich. Auch dafür viel Beifall.
Draußen nieselte es nicht mehr, es schien auch nicht mehr bibberkalt. Die „Spielzeit im Kraftwerk“ wärmt nicht nur die Herzen. Tolle Idee, diese Reihe. Das nächste Konzert findet am 23. März statt. Das Robert-Schumann-Quartett und Jakub Tylman spielen Schuberts Streichquintett.