illustrate pr2

Wär’n sie doch in Chemnitz nur geblieben…

Rückblende: Nach fast 50 Jahren hervorragender Zusammenarbeit hat Silvia Zygouris, die Studiendekanin am Schauspielinstitut „Hans Otto“ an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“, den Vertrag mit dem Chemnitzer Studio zum Ende der letzten Spielzeit gekündigt. Knall auf Fall. Ihre Studenten sollten nicht in die Provinz, sondern nach Berlin. Zu Armin Petras ans Gorki-Theater.

Doch Armin Petras geht nach Stuttgart. Und in Berlin kommt Shermin Langhoff. Könnte sein, dass sie kein Studio mehr will. Elmar Engels, der stellvertretende Vorsitzende der Freunde des Gorki-Theaters auf unsere Anfrage: „ Ich kann mir gut vorstellen, dass unsere künftige Intendantin Shermin Langhoff diese Kooperation nicht weiterführen möchte.“ Gut vorstellbar, zumal es in Berlin in den letzten Wochen öfter geknallt haben soll, weil Petras lieber Studenten der Ernst-Busch-Hochschule in Gorki-Produktionen holte und die Leipziger Studenten spazieren gingen…

Dass der kurze Berlin-Trip der Leipziger Hochschule bald endet, dafür spricht auch, dass Silvia Zygouris zwar für die Theater Halle und Dresden bereits eine Studentenauswahl getroffen hat, nicht aber für Berlin. „Das jetzige Studio am MGT wird noch fast 3 Semester dort studieren“, schrieb sie uns auf unsere Anfrage. Klar. Die Studenten haben erst zu Beginn dieser Spielzeit angefangen. Und insgesamt vier Praxis-Semester zu absolvieren. Also bis Ende nächster Spielzeit. Aber dann? Wo können ihre jüngeren Kommilitonen Praxis lernen?

Wär’n sie doch in Chemnitz nur geblieben. Das Chemnitzer Studio ist eine Erfolgsgeschichte. Nachdem ihm Silvia Zygouris fast den Todesstoß versetzt hätte, hat der Theaterförderverein zugepackt: „ Dann machen wir doch selbst ein Studio!“ Und nahtlos hat es geklappt. Enrico Lübbe gewann die Hochschulen in Wien, Salzburg und Zürich für eine Kooperation. Und vier Studenten von dort kamen nach Chemnitz. Und machen uns seit jener Studio-Inszenierung von „Illustrate Illyria“ zu Beginn der Spielzeit in vielen Produktionen jeden Tag eine große Freude.

Was da in Chemnitz auf die Beine gestellt wurde, erkennt selbst die Dekanin aus Leipzig heute (reumütig?) an: „Wir freuen uns mit Ihnen, dass Sie erfolgreich ein neues Studio am Chemnitzer Theater etablieren konnten.“ Und Elmar Engels von den Gorki-Freunden in Berlin wird noch direkter: „Ich sehe mit Bewunderung, was der Chemnitzer Förderkreis hat auf die Beine stellen können!“
Die Erfolgsgeschichte des Chemnitzer Studios ist noch lange nicht zu Ende geschrieben. Carsten Knödler, der Nachfolger von Enrico Lübbe als Schauspielchef, hat – mit der Zusage für Unterstützung durch den Förderverein in der Tasche – bereits Kooperationen mit Zürich und Graz vereinbart. Und freut sich auf die Arbeit mit den Studenten von dort. Vielleicht später auch mal wieder mit welchen aus der stolz-geknickten Nachbarstadt?

Anmerkung 1: Erst die (höflich formuliert) unnötige Kündigung des Studios in Chemnitz, dann der Berliner Flop, jetzt (ab 1. März für das kommende Semester) als erste sächsische Hochschule auch noch Studiengebühren (für nicht EU-Ausländer – 3.600 € pro Jahr) – prompt getadelt dafür von der sächsischen Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer – die HMT hat keinen guten Lauf. Hony soit, qui mal y pense…

Anmerkung 2: Wenn auch nicht Silvia Zygouris in Leipzig, sonst wo weiß man, wie gut im Chemnitzer Studio gearbeitet wird, wo ein Ulrich Mühe zuerst auf der Bühne stand, oder ein Hasko Weber, der neue Generalintendant des Nationaltheaters Weimar. Die Reihe reißt nicht ab. Von den aktuellen Studenten ist Kaspar Locher bereits ab 2013/14 am Schauspielhaus Graz engagiert, Florentine Krafft geht ans Staatstheater Karlsruhe.