Das Kontrastprogramm: Mozart statt Weihnachtsgedudel

Und Wally Hase wusste genau, wovon sie sprach. Diese junge Frau, die einst Schülerin beim Flöten-Pan Aurèle Nicolet sein durfte, spielte wunderbare Kadenzen in Mozarts Flötenkonzert, brillant, aber nicht selbstverliebt, dynamisch, aber nicht kitschig populistisch, musikalisch und nicht taktierend. Da war sie solo. Im Konzert selbst fiel ihr das schwerer. Da musste sie dem strengen Dirigier-Regiment von Martin Gester folgen. Nicht umsonst gelangen die Stellen am besten, bei denen sie sich vom Dirigenten weg zum Konzertmeister drehte. Und Hartmut Schill wusste genau, wie er das Wettstreiten zwischen Flöte und Geige(n) zum klingenden Ereignis machte.

Schill selbst hatte in der eröffnenden Haydn-Sinfonie (die „mit dem Paukenwirbel“) sein  Solo lupenrein und anpassungsfähig bis zum Sekundenbruchteil gespielt. Aber er konnte sich ja nicht zum Holz hindrehen und Chef spielen. Auch kaum konzertierender Kollege sein -das heißt Wettkämpfer um den besten reizvollen Klang, den der alte Papa Haydn da in seine Partitur hineingeschrieben hat. Was für wunderschöne Spannungen haben wir da schon erlebt. Am Donnerstag leider nicht.

Martin Gester, der Gastdirigent, ist Chor-erfahrener Maestro. Und – fast möchte man sagen, Gott sein Dank – hat er zwischendurch mal den Taktstock verloren und musste mit bloßen Händen dirigieren. Da sah man, was er (wahrscheinlich) kann, wenn er Stimmen führt. Ansonsten versuchte der Elsässer, dem Vorurteil gegenüber den Elsässern entgegen zu wirken. Nach dem Motto: die Elsässer wissen, was sie wollen. Die ganze alemannische Welt behauptet das Gegenteil.

Kleiner Exkurs: Die Elsässer nehmen sich gern selbst auf die Schippe. Ihr Lieblingslied ist der „Hans im Schnogeloch“. Schnoge (gesprochen mit langem o) sind Schnaken=Stechmücken, die es in der Rheinebene zuhauf gibt. Und die pieken und wehtun. Die erste Strophe geht so: Dr Hans im Schnogeloch hat alles was er wìll,/Un was er hat, das wìll er nìt,/Un was er wìll, das hat er nìt,/Dr Hans im Schnogeloch hat alles, was er wìll.“

Der Elsässer Martin Gester wollte zeigen, dass er wusste, was er wollte. Er schlug präzise den Vierertakt, den Dreiertakt, und wenn’s dann lief auch den ganzen. Zwar waren die Vorgaben fürs Orchester  manchmal schneller, als was dann wirklich stramm dirigiert wurde, aber das war dann konsequent.  Dafür wurde keine Linie gezeigt, keine achttaktige Periode spannend gemacht. Gott sei Dank stand nicht die 40., die g-moll-Sinfonie von Mozart auf dem Programm mit ihrer diadam, diadam, diadáham-Einleitung, die nur ein Lebensmüder in Takte zerreißt.

Das klingt nun so, als sei das Konzert nicht gut gewesen. Nein. Die Robert-Schumann-Philharmonie hat den Maestro rausgerissen. Die Musiker, eben vom neuen ersten Kapellmeister Felix Bender Giovanni-gegeigt (wie haben wir geschrieben: „keck“ hat er das gemacht), wussten, wie sie mit der „Prager“ umzugehen hatten, selbst wenn die mehr auf den „Figaro“ als auf den „Don Giovanni“ zeigt. Sie wussten genau, wie es klingen sollte. Selten haben wir die Musiker unmittelbar nach dem jeweils letzten Ton so viel miteinander sprechen sehen (wohl über das, was sie da gerade wieder geschafft hatten). Die „wunderbaren“ Musiker der Robert-Schumann-Philharmonie (die Solistin hat das gespürt…) haben selbstlos gerackert. Und das Publikum hat gemerkt, mit welcher Präzision die verflixten gemeinsamen Spiccato-Läufe über Steg und Saiten gingen.  Auch die „normale“ Aufstellung (Bratschen neben den zweiten Geigen, Kontrabässe hinter den Celli links) hätten die Philharmoniker mit Bravour erledigt, selbst wenn es in der „Prager“ mal ein Zusammenspiel von zweiten Geigen und Celli gab, die Gester wohl deswegen nebeneinander gesetzt hatte. Die Philharmoniker sind einfach gut. Und sie hängen keinen.

Dem Publikum haben die Philharmoniker einen großen Dienst erwiesen. Es dankte „seinen“ Musikern mit langem, langem, demonstrativ langem Beifall für die großartige Leistung, eine hörenswerte „Prager“ hingelegt zu haben, bei der auch ein Dirigent anwesend war.

Das Publikum dankte noch für was ganz anderes. Zwar hatte der Weihnachtsmarkt fernab der Xaver-bedrohten Küste morgens schon gar nicht erst aufgemacht (Ärger über Ärger bei Standbetreibern und Gästen, auch aus dem Ausland), aber das Weihnachtsgedudel nervte den Hörnerv trotzdem überall. Was für eine Entspannung, was für ein Glück, Haydn zu hören, Mozart. Himmlische Musik, trotz allem. Nicht MP3. Das war schön.