Sechs, die Sex suchen. Oder: Suchet, und ihr werdet finden. Oder auch nicht.

In Chemnitz haben wir bei der Premiere am Samstag im Schauspielhaus gute Schauspieler gesehen, die sich schau-spielend zum Glück einen Dreck darum scherten, welchen Mist sie sprechen mussten. Die simpel verruchte süße Dulcy etwa (Magda Decker): „Wenn der Spermastand niedrig ist, sind sie durch nichts zu bewegen. Wenn der Spermastand steigt, tun sie alles, was man von ihnen verlangt.“ Der Luftgeist (so in Shakespeares „Sturm“) und Zornesengel (hebr. Namensherkunft) Ariel (Muriel Wenger), einst die schlimmste, die nichts hat anbrennen lassen, nun die brave, aber nach wie vor dämonische, züchtig bis aufs Hemd, aber drunter ein Sexofen, Ulrike Euen als Adrian (schon wieder ein sprechender Name: aber der eines Mannes – das ist Witz à la Allen), die zu Beginn seltsam geschlechtslos, ausgetrocknet und seit einem halben Jahr ausgesext, sich zum weißen Stoß- und Stöhneengel auf der Schaukel und ihrem Kerl reitend entwickelt, Leopold (Olaf Burmeister), anfangs verrückt, weil Wissenschaftler (der „Poldi“, auch da spricht der Name: Österreicher oder Baier, wie auch immer, nicht von dieser manhattenschen Allen-Welt), später verrückt, weil gierig, noch später verrückt, weil „peng“ – er sich auf und vor dem Gnadenschuss in die ganz und gar triebige Dulcy aus dieser Welt der Verrückten verabschiedet und Videogeist wird, Maxwell (Grégoire Gros), der an allem herumdoktert, und einen Schlag kriegt, wenn er Ariel nicht induzieren kann (nicht auszuschließen, dass Allen bei diesem Namen an den Physiker Maxwell dachte, der sich mit Anziehen und Abstoßen von elektrischen und magnetischen Feldern beschäftigte), und Andrew (Ulrich Blöcher), der den Hosenladen nicht schnell genug auf und dann nicht mehr zukriegt (den Oberneurotiker hat Woody Allen in der Verfilmung seines Stoffes selbst gespielt) – allesamt wunderbare Typen, liebenswerte Spinner, denen man gern helfen wollte, denen aber nicht zu helfen ist. Weil sie Liebe oder Sex oder beides suchen, suchen, suchen, und nie finden. Weil sie sich selbst nie gefunden haben.

Wir haben ein hübsches phantasiereiches Bühnenbild (Andrea Eisensee) gesehen (großes Kompliment an die Technik und die Bühnenbauer!), das mit jedem neuen erotischen Stoß schwüler wurde bis hin zu dem schwankenden übergroßen Phalluspilz und den roten vulvaischen Fleischfressschwengeln, wir haben Kostüme (ebenfalls Andrea Eisensee) gesehen, die von hochgeschlossen und zugeschnürt über an und aus und nass und zerrissen die Handlung kommentierten, wir haben schöne Choreografie gesehen (etwa den sexfachen Menschenschwummelleib aus Brüsten, Pos und mehr oder minder straffen Bäuchen oder den „Ich seh‘ etwas, was du nicht siehst“- Stolpermarsch vom Maxwell und Leopold). Michael Funke, der Regisseur hat sich sichtlich bemüht, immer wieder einen neuen Adrenalinstoß in das ewige Hin und Her von mal die zwei, dann die anderen zwei, und wieder die und nochmal zwei andere) zu bringen. Anerkennenswert. Aber letztlich vergeblich. Die hätten nochmal zwei Stunden Bäumchen wechsel dich spielen können. Wir hätten noch ein paarmal herzhaft gelacht über irgendwelche Gags des Comedians Woody Allen und zwischendurch verschämt die Hand vor den gähnenden Mund gehalten, weil man in einer Komödie doch nicht schlafen darf…

Herzlicher Beifall für Schauspieler und Team, die es wirklich verdient haben. Und wieder die Erkenntnis: Woody Allen spaltet. In die, die ihn lieben, weil er so herrlich neurotisch unkonventionell ist. Und die, denen die Neurosen auf den Wecker gehen. Um nicht, dem Stück entsprechend, zu sagen, auf den Sack.

Die nächsten Vorstellungen: 26. Oktober, 3. und 29. November, 21. Dezember

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Einen größeren Video-Beitrag zum Stück bringt das Theatermagazin SZENE