Philharmonie in Höchstform

Sie donnerten das Doppelkonzert für zwei Klaviere, wo Max Bruch tschaikowskyhaften Donner verlangt, sie schmeichelten, wo Bruch Sexten romantikt wie in seinen beliebtesten Werken (Violinkonzert!). Die Hörner und Fagotte nahmen verliebt die Themen auf, als ob die Flügel weitertrügen, die Geigen und das hohe Holz zwitscherten im Wettstreit mit den hohen Klimpertasten. Die beiden Damen, keine braungebrannten Florida-Beautys, ließen ihre weißen Arme und Finger fliegen und flitzen, brillant wie lupenreine Brillis changierend, und dann wieder musikalisch so einfühlsam, wie eine Mutter ihr Baby streichelt. Da reichte ein Bruch nicht. Drei Zugaben: der Blumenwalzer aus Tschaikowskys „Nussknacker“ – ohne Tütü, dafür mit einer Portion Liszt, ja, auch Brahms und Johann Strauß. Grandios der verrückte Boogie von Paul Schoenfield (Amerikaner. Außer den Zwillingen kannte ihn in Chemnitz wahrscheinlich nur Orchesterdirektor Raimund Kunze). Und dann vierhändig der Bach als Ausklang: Ja, es war ein Johann Sebastian (Sinfonia aus „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“, auch actus tragicus genannt, BWV 106), auch wenn er wie Mendelssohn klang – so schön, so rührend. Bearbeitet natürlich, aber so anrührend, so adventlich. Und erlaubt. Nicht umsonst war es Mendelssohn, der Bach wiederentdeckt hat. Vielleicht hat’s den Schwestern in Chemnitz gefallen. Wir würden sie jedenfalls gern wieder hören.

Tschaikowsky im Opernhaus („Pique dame“), Tschaikowsky als Zugabe („Nussknacker“) – aber nach der Pause der Hammer: die „Manfred“-Sinfonie. Ein gewaltiges, ein ganz großes Werk. Tief und verzweifelt (die tiefen Streicher alle rechts postiert), schneekristallkalte Piekser (erste Geigen, Harfen) leidenschaftfeuerlodernde Holz- und Blechbläser, die bläulich kleine Flamme (gedeckte Hörner), das knisternde Aufschießen (was für eine Fuge im letzten Satz!) des Holzes, die glänzende Tutti-Pracht der über den Bergen erstrahlenden Sonne, das hymnische Gebet (Orgel), das sehnsuchtsersterbende ruhige Glück des Schlusses. Nein, das ist kein Strauss‘sche „Alpensinfonie“. In Davos hat Tschaikowsky die Höhen und Abgründe der Seele erkannt. Klingt pathetisch. Soll so sein. Hinnehmen. Mitreißen lassen.

Die Philharmonie war in Höchstform. Alle. Zu Recht ließ Bender am Ende jede Stimmgruppe einzeln den Beifall abholen. Das war kein Adventskonzert – mit Bach, Händel oder Haydn. Dieses Konzert war ein Kraftakt für alle und jeden. Schon die „Idomeneo“-Ouvertüre zu Beginn. Vater Leopold hatte schon damals seinen Sohn gerügt, weil er hier für das Orchester so „schwer“ komponiere. Aber Wolfgang Amadé tat, was er tun musste (und Bender setzte noch einen drauf, und ließ die Ouvertüre nicht leise ausklingen für den Augen-Blick zur Bühne, sondern konzerthaft in Dur. Punkt. Beifall). Bender. Kommissarischer GMD. Sie mögen ihn, die Musiker der Robert-Schumann-Philharmonie. Und geben ihr Bestes. Folgen jedem Vorhalt (Tschaikowsky), gehen auch die noch so flotten Tempi mit. Und das Publikum liebt beide dafür: Felix Bender und die Robert-Schumann-Philharmonie.

Felix Bender wird bleiben, auch wenn der neue GMD kommt. Super. Wir freuen uns alle. Bei der Vorstellung im Rathaus haben wir am Dienstag Guillermo García Calvo gefragt, was er denn an der Philharmonie besonders schätze. „Ihre sagenhafte Homogenität“, sagte er. Er wäre begeistert gewesen, hätte er die „Manfred“-Sinfonie von seinem künftigen Orchester unter der Leitung seines künftig stellvertretenden GMD gehört.

Und wir sind dankbar. Für ein Dezember-Konzert der Extra-Klasse.

Übrigens: Die Akademisten waren mit dabei. Viel mehr gefordert werden kann man als Orchester-Streicher nicht. Wir sind gespannt, was sie bei der Matinee am Sonntag im Opernhaus darüber erzählen. 10.30 Uhr. Eintritt frei!