In der Pause stehen die jungen Besucher zwischen Kita und Gymnasium draußen im Foyer mit ihren Handys. Es juckt sie keinen Moment, dass sich drin auf der Bühne der „kleine Dienstag“ als Zentrale am Ja-gab’s-wohl-auchmal-vor tausend-Jahren-Telefon langweilt. Ist ja Theater. Wer rennt ja auch draußen in so komischen Klamotten rum (Bühne und Kostüme Alexia Redl), fährt ein blitzblankunmöglichsauberes Fahrrad, das noch nie mal schnell in den Dreck flog, oder nimmt ne Hupe statt SMS zu verschicken? Und dann kommt der Dirigent (Jakob Brenner) auch noch in roten Schuhen…
Regisseur Michael Schilhan hat sich entschieden, die Geschichte wie in Kästners bis heute immer wieder neu aufgelegtem Jugendbuch im Berlin der 20er-Jahrwe spielen zu lassen. Über den Bühnenhintergrund huschen jugendstilige und expressionistische Collagen von Großstadtbildern, Obdachlose liegen auf ihren Pappen an der Straßenecke und die „Emil-Combo“ im Graben spielt bisweilen, als ob Kurt Weill die Noten geschrieben hätte wie zu Brechts auch in den 20ern entstandenen Dreigroschen-Oper. Komponiert hat sie Marc Schubring – gekonnt mit vielen Anleihen an viele Stile.
Den Kindern ist das egal. Diese Zeit ist genausoweit weg wie die der Eltern, erst recht die von Opa und Oma. Und was die Alten erzählen, die liebe Mutter Tischbein etwa (Kerstin Randall, herrlich ondulierte 20er-Jahre Kleinbürgerin), ist gut und recht. „Pass auf“ und so. Das hören sie jeden Tag auch daheim. Was Sache ist, weiß Generation Junghandy eh besser. Und da kommen Emil und seine Detektive grade recht. Sie sind schlauer als alle Erwachsenen. Ok. Weiß man. Ist so.
So spannend wie im Buch ist die Geschichte nicht, weil das alles nicht so schnell gehen kann, wie wenn man mal schnell eine Seite überblättert. Dafür höchst amüsant, wie die Mädchen und Jungs da oben das machen. Emil (Marco Toth) und Gustav mit der Hupe (Dennis Hupka) haben den Stimmbruch zwar schon einige Zeit hinter sich. Und die hübschkluge Pony Hütchen (Eva Löser) wäre natürlich auch noch nicht ein Schwarm für den kleinen Dienstag (alternierend Maddy Manzke und Rosalie Nötzold. Aber wenn sie da alle zusammen auf der Bühne Scharaden pantomimen, den bösdummen Herrn Grundeis (Andreas Goebel) fertig machen, den obergescheiten Professor (Jan Rogler) richtig hinstellen müssen, weil er vom richtigen Leben keine Ahnung hat, dann macht das schlichtweg Freude.
Ferdinando Chefalo hat mit den Profis und den Kindern vom Kinder- und Jugendchor (gesangliche Einstudierung Pietro Numico) dynamische Verfolgungsjagden choreografiert (höchst beachtlich die Präzision der jungen Mitwirkenden), Thomas Mäthger schaffnert herrlich als (bisweilen singender) Erzähler nicht nur die Handlung, sondern auch die Bahn, Regine Sturm schwäbelt als Großmutter herzerfrischend ravensburgerisch (dort kommt sie her) in all dem halbberlinerpreußischen Singsang, Hubert Walawski ist das doofe Obrigkeitsschaaf und Michael Mehnert der gar nicht schlaue Kommissar, dem die kleinen Detektive eine erfolgreiche Nase drehen.
Die „Emil-Combo“ kann nicht nur Dampflok und Straßenbahn pfeifen, keyboarden und gitarren, sondern auch Erschrecken trompeten und Hotellobbyklimpern – aber vor allem kann sie die Titelmelodie begleiten, die vielfach gesungen keinem der großen oder kleinen Besucher aus den Ohren geht: „Parole Emil“. Die Siegesfanfare der zusammenstehenden kleinen Kumpels über die ganze böse große Welt hätte noch tausendmal gespielt werden können. Aber „Zugabe“, nö, das geht gar nicht. Schließlich muss der Herr Kapellmeister in den roten Schuhen ja auch mal auf die Bühne, um für seine tollen Musiker den Beifall abzuholen.
Schönes Spektakel für Groß und Klein. Das Opernhaus nicht voll besetzt. Vor allem die teureren Plätze nicht. Ob das Musical in die Opernpremieren-Aboreihe gehört, na ja. Zwei fröhliche Stunden fürs (auch ältere) Aug‘ und Ohr schaffen Emil und seine Freunde allemal.
Die nächsten Vorstellungen: 30. Oktober, 12. und 18. November, 20. Dezember