„Der Zauberer von Oss“: Einfach zauberhaft

Morgens noch herbstlich ernst Schubert und Schostakowitsch im Sonntagskonzert, abends das leichte Musical: Ein rundum gelungener Tag für die Theater Chemnitz und deren Philharmonie, die erneut positiv von sich reden machen. Zwei Intendanten nebeneinander im Musical: der gehende und der kommende. Beide happy. Christoph Dittrich, der Neue, war sehr angetan: „Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Produktion in die nächste Spielzeit mitnehmen könnten”, sagte er hinterher.

Recht hat er. Es war einfach traumhaft, dieses Musical, das eigentlich gar keins ist. Das mehr als hundert Jahre alte Märchen nach L. Frank Baum, eigentlich eine Gute-Nacht-Geschichte, hat mittlerweile auch Musik bekommen: einen Ohrwurm wie „Over the rainbow” und vor allem geklaute Evergreens von Tschaikowski (Nussknacker und Schwanensee) und Saint-Saëns (Danse macabre). Der Komponist, Harold Arlen, ist ein Eklektiker: einer der das aussucht, was den Leuten am meisten gefällt. Was er selbst kann, zeigt er in „Over the rainbow”, dem Ohrwurm für Judy Garland (sie spielte 1939 in der Verfilmung die Dorothy), für den er einen „Oscar” bekam. „Überm Regenbogen”, sang Susanne Thielemann (leider nur) auf Deutsch. Das Orchester ließ den Ohrwurm am Anfang und immer wieder gefühlte 47 Mal wurmen und immer wieder wurmen. Und doch tat es gut – erst recht an einem Sonntagabend vor einer stressigen Arbeitswoche.

Was die Chemnitzer Aufführung (die rockigere, wildere, wurde lange im Figurentheater gegeben) auszeichnet, ist die Klasse in jedem Detail. Immer was zu sehen (Bühne und Kostüme Thomas Gruber und Barbara Boch), die Figuren, die nie ihren Typ vergessen – Markus Schneider als hirnlos verständige, unendlich bewegliche Vogelscheuche mit Gummi-Gelenken, Martin Gäbler als rührender Blechmann mit einem ungeölten Herzen, Christof Maria Kaiser als König der Wildnis, ohne Courage, aber mit lang zärtelndem Schwanz. Eindeutig der Star: Susanne Thielemann als Dorothy, immer präsent, immer lieb. Tolles Ballett (jedes Mal Sonderbeifall), eine wie selten aus sich herausgehende Anja Bihlmaier am Pult, Musiker, die – obwohl musikalisches Piesepampel – keine Sekunde nur Pflicht taten. Herrlich, die Aufregung der Pianistin im Graben, als die Vogelscheuche nicht auf das Ende des Arpeggio wartete, sondern schon vor dem Schluss-Rums-Akkord auf die Bühne klatschte.

Philipp Kochheim, den wir ganz anders aus der „Heimkehr der Verbannten” kennen, hat wieder großartig Regie geführt. Der Mann hat Klasse. Denkt vorher viel. Und am Schluss wirkt alles leicht und locker. So soll’s sein. Meckerer sprachen von Sängern, die sprechend nicht das Gelbe vom Ei seien. Aber am Schluss waren sie genauso begeistert wie alle.

Zauberhaft. So kann’s weiter gehen.