Wenn ein Festival schon mit einem Paukenschlag beginnt, spürt man sofort, welches Potential in ihm steckt. So geschehen und selbst erlebt am Eröffnungstag des Festivals TANZ ǀ MODERNE ǀ TANZ. Auf der Hinterbühne des Opernhauses tanzten sich vier Tänzer des Ensembles Nuepiko Dance Company aus dem Litauischen Kaunas regelrecht die Seele aus dem Leib. Der Verfasser dieser Rezension gibt unumwunden zu, dass die Sparte Tanz eigentlich nicht zu den bevorzugten Genres seiner Kunstrezeption gehört.
An dem Abend allerdings wurde er eines Besseren belehrt. Unter dem Titel „Nowhere, but not here“ (etwa „Nirgendwo aber nicht hier“), der eine wunderbare Doppeldeutigkeit impliziert, boten die vier jungen Künstler aus Litauen einen berauschenden Bühnentanz. Dabei kamen Elemente zum Tragen, an die man, wenn man Tanz hört, nicht sofort denkt. Neben klassischen Elementen fanden sich da Szenen, die fast schon an Pantomime erinnerten, es gab Einlagen, die dem Breakdance entlehnt schienen, Lichteffekte kamen genauso zum Einsatz wie Teile, die an Akrobatik erinnerten. Und dies alles spielte sich ab unter sparsamstem Einsatz von Mitteln. Was allein man mit zwei zu Winkeln verschraubten Platten anstellen kann, nötigt rein mechanisch betrachtet Respekt ab; einmal waren sie Trennwände, dann wieder Dächer, sie konnten zur Wippe werden und zum Berg… Und dieses Spiel mit den Elementen war auf das Kunstvollste tänzerisch verwoben durch die vier Künstler, denen man die rein körperliche Anstrengung, die zu leisten gewesen war, auch erst bei der Verbeugung vor dem Publikum anmerkte.
Nach einer knappen Stunde gab es begeisterten Beifall von einem sachkundigen Publikum und einen Rezensenten, der seine ambivalente Haltung zum Thema Tanz noch einmal wird überdenken müssen.
Stefan Tschök
Foto Neuepiko Kompanie. © Nasser Hashemi