1. Carsten Knödler, der neue Schauspielchef, hat praktisch mit Null angefangen. Eine einzige Produktion aus der letzten Spielzeit (seine eigene Inszenierung von „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“) war im Repertoire. Heute sind zehn Produktionen im Repertoire, neun Premieren folgen noch. Wahnsinns-Leistung vom Schauspieldirektor und seiner Truppe. Da reichten 16-Stunden-Tage nicht.
2. „Virginia Woolf“, „Hedda Gabler“, „Leonce und Lena“, aber auch die Studio-Inszenierung „Hautnah“ sind mitnichten „Annäherung an Boulevardtheater“. Und „Konsenssoße“ erst recht nicht. Vielleicht hat Tzschucke die Aufführungen nicht gesehen.
3. Kein Mensch wird Schauspieler, weil er „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ spielen will. Aber mehr als 30 Aufführungen vor fast ständig vollem Haus sprechen nicht dafür, dass die Schauspieler von der Schauspielkunst nichts verstehen. Sie hängen sich mindestens so rein wie bei Euripides, Schiller oder Jelinek. Das spürt das Publikum. Kunst geht nicht ohne Können. Auch Schneewittchen kann Kunst sein. Oder beckmessert hier einer päpstlicher als der Papst, weil er ex Kritiker-Kathedra allein seligmachend weiß, was Kunst ist?
4. Schauspielhausbesucher sind nicht doof und unterbelichtet oder – im Tzschucke-Sprech – nur an „Irrelevantem“ interessiert, wenn sie in Massen auftreten und das Haus füllen. Das grenzt an Publikumsbeschimpfung. Nur dass Tzschucke nicht Handke ist. Der wusste nämlich, dass zwischen Publikum und Bühne was abgeht. Oder auch nicht. Und welchen Wert das hat.
5. Knödler wäre mit dem Klammerbeutel gepudert gewesen, hätte er nur auf Kritikerlob geschielt. Dann wäre er jetzt nicht mehr da. Und angesichts leerer Säle beschlösse der Stadtrat womöglich die Schließung des Schauspielhauses. Geht ja eh keiner hin… Schauspiel ist nicht nur (bisweilen) politisch, sondern (bei knappen Kassen immer) auch ein Politikum. Gesellschaftlich „relevant“…
6. Wenn die Auslastung sinkt, schläft ein Schauspieldirektor schlecht. Wenn die Säle voll sind, wird der Kopf frei. Den Abbey-Road-Shakespeare vorziehen und den „Hamlet“ auf den März legen und nicht am Anfang „verheizen“, ist klug. Und lässt uns einiges erwarten.
„Am Boden“ ist im Chemnitzer Schauspiel weder die Kunst, noch der Schauspielchef, noch das Publikum. Knödler ist auf dem Boden geblieben. Gott sei Dank. Ob Kritiker abheben oder nicht.