Schill und Tylman: Kodaly koppelt zwei Kraftwerke

“Der Brahms kommt”, versprach Jakub Tylman, der die Montag-Abend-Reihe im Kraftwerk erfunden hat. Wir freuen uns drauf.

Der junge Vater, geständig auf Facebook, mitunter das schreiende Baby im einen Arm, das Handy googlend in der anderen Hand (wie bring ich ein schreiendes Baby zum Schlafen?) zu haben, wollte das treue Kaßberg-Publikum nicht enttäuschen, griff sich nebst Cello und Bogen seinen Geiger-Kollegen von der Robert-Schumann-Philharmonie, Hartmut Schill. Der hatte „am 2. Februar. Dieses Jahr!“ erstmals das Kodaly-Duo gespielt, aber seither schon dreimal. Beide hatten es drauf. Im besten Sinn des Wortes. Eine Kammermusiksternstunde im Kraftwerk war das Ergebnis.

Kodalys Duo op. 7 ist 100 Jahre alt. Hat mit dem ersten Weltkrieg nichts zu tun. Eher damit, dass sich  die musikalischen Spürhunde Bela Bartok und Zoltan Kodaly in den Jahren zuvor mit einem Edison-Phonographen auf den Weg gemacht hatten, um in der Umgebung des Esterhazy-Schlosses (Papa Haydn lässt grüßen) Bauernmusik im Original aufzunehmen. Nix „Komm Tzigan“-Schmalz mit schluchzenden Sexten, sondern Melodien, die auf der Pentatonik beruhen. Da gibt’s nicht acht Töne (Oktave) sondern nur fünf in der Tonleiter (wie wenn man auf dem Klavier nur die schwarzen Tasten spielt).

Solche Melodien greift Kodaly in seinem Duo auf. Dazu Eindrücke aus den Alpen, die er komponierend in Vorarlberg genoss. Und so klingt es denn auch – da steigt die Lerche, da geht straussisch die Sonne auf, tanzen bartokisch ungarische Bauern auf dem lehmigen Dorfplatz. Aber Kodaly zeigt auch, was er in der Theorie gelernt hat. Er baut Fugati ein, überraschende Themenwiederkehr, Liedhaftes und Lärmiges.

Die beiden Musiker zupfen und flageolieren Einzeltöne und gebrochene Akkorde, sie brillieren und singen, sie hauen rein und ersterben im Schusston. Wunderbare Unisono-Läufe führen gleichströmig zusammen, Akkorde hauen wechselströmig gegeneinander. Harfige Arpeggien (gezupft) wechseln mit krachenden Abstrichen. Das hält schon einmal das flexibelste Pferdehaar des Schillschen Bogens nicht aus, aber er hat kaum Ruhe, es zu auszureißen. Kodaly hält die Musiker ungeheuer auf Trab.

Und Schill und Tylman nehmen die Peitsche des Komponisten an. Sie geben sich keine Sekunde Erholung, erjagten das Schlussfurioso mit derselben musikalischen Intensität, wie sie den zweiten Satz erfühlten. Toll, danke. Zwei Kraftwerke im Kraftwerk…

Wunderbar, das Duo erlebt zu haben. Jetzt freuen wir uns auf den Brahms. Dritter Versuch, drittes Glück.