Ist das Kunst, oder…

Ulrike Euen, selbst Schauspielerin im Chemnitzer Ensemble, und zusammen mit Kathrin Brune „Mutter“ der Kompanie, führte mit geschickter Hand Regie in diesem satirischen Stück, das so leicht hätte kippen können in billig schnoddriges Boulevard-Theater (die Sprache ist oft so) oder in belehrende Ästhetik-Didaktik. „Darf Kunst provozieren?“, heißt es mal im Stück. Was ist noch erlaubt? Was das richtige Maß? Manipulieren – bis wohin? Ist das noch Kunst…?

„Das Stück dreht sich auch ein bisschen um Kunst, denke ich. Was Kunst ist, was nicht. So in etwa. Und dass Künstler, wenn sie Kunst produzieren, immer ein bisschen Blut vergießen müssen. Sie sind die neuen Azteken – sie bringen Menschen um, aber nennen es ‚Opfer‘, weil es dann etwas freundlicher klingt“, sagte er Autor bei der Uraufführung des Stücks 2001 in London.  

„Bisschen“ Blut ist gut. Eva, die hier Evelyn heißt, macht ihren Adam zu einem solchen Opfer. Blutleer bedröppelt steht er am Schluss da mit seinen zu kurzen Hosen. Lebt er überhaupt noch? Dabei hat sie ihm anfangs erstmal Leben eingehaucht: ihn vom Potterbrillen-Trottel zum smarten Jungen gemacht, mit dem sich sogar Ex-Freundin Jenny (Maja Grahnert, kommt aus Linz) wieder vergnügt, die doch sonst Extreme sucht wie eine Unterwasserhochzeit mit ihrem Phillip (Gabriel Tauber, von der HS Ernst Busch, Berlin).

Lisa Mattiuzzo studiert an der Zürcher Hochschule der Künste. Sie ist diese Eva-Evelyn. Frech, unbekümmert, manipulierend. Um ihren Adam zu kriegen, setzt sie die Sprache genauso ein wie den Körper unter dem kurzen Röckchen. Für sie lässt er die Nase korrigieren und die Anfangsbuchstaben „E.A.T.“ ihrer Namen aus der roten Unterhose übers Schambein heraufragend tätowieren. Morris Weckherlin (kommt auch aus Zürich) spielt diese von der Pygmalia-Eva geschaffene Figur so, dass das Publikum mit ihm manipuliert wird. Nö, den Schluss, den uns Ulrike Euen (und Nikolai Kuchin, Bühne, vom Masterstudium Bühnenbild_Szenischer Raum an der TU Berlin) präsentieren, hätte keiner von uns erwartet.

Wieder, wie in den ganzen Jahren zuvor, eine ganz besondere Premiere. Jung, überraschend. Schauspieldirektor Carsten Knödler und seine Mitstreiterinnen haben wieder vier begabte junge SchauspielerInnen und deren Hochschulen für das Ausbildungsjahr in Chemnitz begeistern können. Wir freuen uns schon, die vier auch in anderen Schauspielproduktionen zu sehen. Gut, dass es das Studio in Chemnitz gibt. Und gut, dass es der Theaterförderverein damals rettete, als durchgedrehte Leipziger Professorinnen nach fast einem halben Jahrhundert die Zusammenarbeitet mit dem Chemnitzer Schauspiel erden und keine Studenten mehr in die unzumutbare Provinz nach Chemnitz schicken wollten…

Die nächsten Aufführungen: Morgen, Sonntag, und am 1. November, jeweils 18 (!) Uhr