Fünf machen ein ganzes Orchester

Fünf Mitglieder der Robert-Schumann-Philharmonie erhielten hinterher ein Röschen von der glücklichen Hausherrin Ute Kiehn. Fast ohne Werbung waren die Reihen wieder nahezu voll besetzt. Als ob sich die Musikfreunde kaum hätten gedulden wollen, dass diese verrückte Art der Wocheneinstimung endlich wieder begänne.

Verrückt ist das schon. Da spielen fünf hochbegabte Profis der Robert-Schumann-Philharmonie für umeinsonst ohne Etikette in einem „soziokulturellen Zentrum“. Klamotten sind egal, Alter und Beruf auch. Geklatscht wird nach jedem Satz, wenn er gefällt. Warum auch die blöde Etikette, dass Beifall nur am Schluss gespendet werden darf. Nicht regelmäßigen Konzertbesuchern ist das wurscht. Und die Musiker haben ihre Freude dran, wenn sie spüren, wie sie ankommen. Im Jazz wird auch nach jedem Solo gepfiffen und geklatscht.

Kann ja auch mal sein, dass ein Baby im Kinderwagen lauter wird, je leiser die Musik wird. No action, nichts für Babys. Da sorgt baby eben selbst dafür. Und selbst Heidrun Sandmann, eben noch gefeierte Solistin beim ersten Sinfoniekonzert in der Stadthalle, wo jeder Huster wie ein Geschützdonner dröhnt, muss schmunzeln. Doppelter Ansatz zum 4. Satz. Wen juckt’s.

Das klingt nun alles nach locker vom Hocker. Ist es auch. Aber nicht die musikalische Leistung der Fünf von der Philharmonie: die Geigerinnen Heidrun Sandmann und Anna Kießling, den Bratscher Eckbert Reuter, und die beiden von der Bass-Fraktion Jakub Tylmann, Cello, und Nikola Bogdanow am Kontrabass.

Es gibt kaum Streichquintette mit Kontrabass. Mozart liebte zwei Bratschen, Schubert schon mal zwei Celli. Das berühmteste Quintett mit Kontrabass ist das op.77 von Dvořák. Die Wiener liebten das melodiöse Spinnen-Netz. Dvořák haut rein. Im Kopf hat er die Sinfonie (die fünfte komponierte er zu dieser Zeit). Da müssen fünf Musiker ein ganzes Orchester hergeben: Wenn sie alle Dreiklänge spielen, an Satzschlüssen etwa, dann macht das 15 Töne auf einmal. Das klingt, gar nicht kammermusikalisch fein. Da ist Dvořák näher bei Wagner als bei den k&k-Vorgängern.

Was wiederum nicht heißt, dass es da neben Unisono-Verstärkungen einzelner Melodiefolgen nicht auch hochfeine Kammermusik-Gespinste gäbe, die sich perlend aneinander reihen in den einzelnen Instrumenten. Dass es nicht Pizzikati gäbe, die hoch droben das Grollen der Bassgrummler aufmischen. Dass nicht schnelle Läufe purzelten, die von der Fingerfertigkeit und der Bogentechnik her alles verlangen.

Keine Frage. Die Profis von der Robert-Schumann-Philharmonie beherrschen die Technik perfekt. Aber wenn Bogdanov oder Tylman im Pizzikato oder Staccato den Drive machen, Bruchteile von Sekunde voraus wummern, während oben Heidrun Sandmann geschwätzig melodiös parliert, oder wenn die Geigen in Melodien fast ertrinken, während Eckbert Reuter mozartdudelndudeln muss (was sonst die zweiten Geigen müssen), dann geht das weit über die Klassik hinaus. Wird Musik von heute, für Menschen von heute. An einem Montagabend. Nach dem ersten bescheidenen Arbeitstag. Besser kann ein Wochenauftakt kaum sein.

Das nächste “Spielzeit”-Kammerkonzert: 19. Oktober 2015, 18 Uhr, Im “Kraftwerk”, Kaßbergstr.36, Chemnitz. Tylman und friends spielen Mozarts Klavierquartett g-moll KV 478.