Chemnitz kann’s

Manche zum ersten Mal in der Chemnitzer Oper („wir kommen wieder“). Diesmal sind sie da wegen Ekaterina Frolova. Die Geigerin aus St. Petersburg war vor Jahren während ihres Studiums oft mit russischen Musikerkollegen zu Konzerten in Zwickau und vor allem Glauchau. Und hat dort die Mitglieder des Georgius-Agricola-Chores (Motto: „Musica laetificat cor hominum“: Musik erfreut das Herz der Menschen) kennen- und lieben gelernt. Jede und jeden kennt sie beim Namen. Die Frau, bei der sie damals übernachtet hat, nennt sich „ihre Patin“. Ekaterina, heute 28, vielfach mit Preisen überschüttet, Klasse-Geigerin, freut sich wie eine Schneekönigin. Huscht immer wieder von der offiziellen Tafel nach dem Konzert hinüber zu ihren Freunden aus Glauchau. Merke: Die Menschen aus dem Umland kommen ins Oberzentrum nach Chemnitz ins Theater, wenn sie was Besonderes erleben wollen.

Vesselin Stanev, 49, Bulgare, hat in Paris studiert und seither auf vielen großen Podien der Klassik gespielt. Demnächst nimmt er bei seiner Plattenfirma Sony ein extrem schweres Liszt-Programm auf, darunter die Wanderer-Fantasie nach Franz Schubert, über die der eigene Komponist gesagt haben soll: „Der Teufel soll dieses Zeug spielen!“, weil er sein eigenes Werk nie beherrschte. (Dazu kommen auf der CD u.a. die Rémininscences de Norma und Don Juan, gefürchtete Pianisten-Qual und -Herausforderung). Mit seiner Partnerin fährt Stanev demnächst wieder nach Paris, wo er zeitweise auch lebt. Die Salle Gaveau ist die nächste Station der Beiden mit dem Chemnitzer Programm (Schubert, Schumann, Chopin, Milstein, Kreisler). Merke: Chemnitz ist nicht Provinz.

Das Programm hatte es in sich. Selten hat man so gespürt, wie Kreisler auch seinen Schubert gekannt und was der Wiener von dem Wiener gelernt hat. Die Fantasie C-dur von Schubert hat fast zehn Minuten länger gedauert als zwei Abende vorher in Leipzig im Gewandhaus. Nicht, weil die beiden langsamer gespielt hätten. „Erstens sind die Menschen im Theater hier so kompetent und freundlich, dass sich Künstler nicht nur geduldet, sondern willkommen fühlen. Das hört man ihnen dann auch an“, sagt Ernst Möckli. Und Ekaterina ergänzt: „Das Publikum ging gespannt mit, war voll dabei.“ Deshalb spielten die beiden alle von Schubert vorgesehenen Wiederholungen – die, so wichtig sie für die Dramaturgie der Fantasie sind, man sogar selten auf CD hört, weil dann das zweite Stück kaum mehr auf den Silberling passen würde. Merke: Die Chemnitzer Theater haben eine bei Gästen hochgeschätzte Professionalität. Und: Chemnitz hat ein Publikum, das Ahnung hat. (Die Künstler bedankten sich mit drei Zugaben von Kreisler und Tschaikowski).

Ernst Möckli ist Verwaltungsratspräsident der Ferag, ein wichtiger Mann in einem großen Schweizer Maschinenbauunternehmen. Die Chefin und Eigentümerin von WRH, der Holding, Susanne Rau-Reist, fördert die beiden Künstler seit Jahren. Eine Geige von Nicolo Galiano (1755), wie sie Ekatarina spielt (wunderbare Tiefen, runde Höhen), kostet siebenstellig. Das kann sich eine junge Frau, sei sie noch so begabt, nicht leisten. Merke: Kunst braucht Mäzene.

Auch Mäzene müssen Geld verdienen. Für Weltmarktfirmen gilt das erst recht. Sie müssen technisch ganz vorn mit dabei sein. Dazu braucht man kompetente Partner. Deswegen war am Donnerstag auch Prof. Klaus Nendel mit dabei, Dekan (Maschinenbau) an der TUC. „Großartige Uni“, schwärmt der nicht zu überbordenden Äußerungen neigende Schweizer Manager. Seit sieben Jahren arbeiten die Schweizer und Nendel zusammen. Zu beider Nutzen. Mit Know how und Verbindungen aus Chemnitz produziert WRH Sortierbänder für die Postgesellschaften in halb Europa und neuartige Montagebänder für VW und Škoda. Übrigens: Möckli war schon früher oft in Chemnitz. Die Förderketten der Freien Presse in der Weiterverarbeitung (über den Köpfen – erinnern Sie sich an die legendären Begegnungs-Konzerte im Druckhaus?) stammen vom Weltmarktführer. Merke: Industrie, Wirtschaft und Kultur passen zu einander. In Chemnitz erst recht.

Ist so: Chemnitz kann’s.