„Spontan“ noch hatte Foster am Mittwoch den Beifall unterbrochen, am Donnerstag sagte er aus voller Überzeugung: Mit diesem Orchester hätten die Chemnitzer ein „Juwel“. Und mag Chemnitz auch keine Haupt- oder Großstadt wie Berlin, Hamburg oder München sein, dieses Orchester habe mit Provinz nichts zu tun. Sprach’s und hob die Hände, um die Höhe der Klasse der Robert-Schumann-Philharmonie anzudeuten. Vorher hatte er schon nicht nur im Stück herausragende Leistungen hervorgehoben, sondern die einzelnen Stimmgruppen alle einzeln aufstehen lassen, um extra beklatscht zu werden. Was das Publikum auch ausgiebig tat. Welcher Musiker auf der Welt würde sich da nicht gebauchpinselt fühlen…
Das Frühlingsprogramm des 7. Sinfoniekonzerts war als Teil der Tage der Jüdischen Kultur in Chemnitz angekündigt worden. Warum nicht? Foster ist der Sohn rumänischer Juden (er kam 1941 in den USA auf die Welt), der Jude Mendelssohn, dessen „Italienische Sinfonie“ auf dem Programm stand, wurde im Dritten Reich nicht gespielt (außer dem Hochzeitsmarsch, an dem kamen die Nazis nicht vorbei), Mendelssohns Denkmal in Leipzig wurde abgebaut. Mendelssohn, der Bach für das Publikum wiederentdeckt hatte (Bach mochten die Nazis wieder – eine Fuge hat „blond und blauäugig“ zu sein, forderte ein so genannter NS-Wissenschaftler), hat auch Schumanns erste Sinfonie („Frühlingssinfonie“) uraufgeführt und zum Erfolg gemacht.
Von dem ernsten Hintergrund der Rezeptionsgeschichte war am Donnerstag nichts zu spüren. Auch bei Schumann nicht. Auch der böse Schwiegervater Wieck, gegen den der heiß verliebte Schumann die Heirat mit Tochter Clara, gerichtlich durchsetzen musste, tauchte höchstens in ein zwei halbdissonanten Hornstößen auf. Sonst herrschte pure Freude. Am Frühling. Und an der Liebe. Der Sonne. Den aufbrechenden Knospen.
Nun ist es ja für keinen Dirigenten ein Heimspiel, wenn er in Chemnitz die erste Sinfonie des Namenspatrons des Orchesters zu dirigieren hat. Die Musiker kennen ihren Schumann aus dem Effeff. Aber Foster kennt seinen Schumann auch. Er hat ihn öfter dirigiert, mit der tschechischen Philharmonie sogar auf CD eingespielt. Da treffen sich also Fachleute. Und nicht wie sonst so oft hauen sie sich unterschiedliche Auffassungen um die Ohren – da herrscht sofort fröhliches Einvernehmen. Foster geht die Sinfonie flott an, spielt nicht den Stab-Zampano, sondern kitzelt jede schöne Stelle noch schöner heraus, „mahnt“ noch mehr Ton bei den ersten Geigen an, obwohl die bereits in höchsten Vibrato-Leidenschaften unterwegs sind. Sie wissen, wie er’s meint. Das sind Gesten für das Publikum – hej, Ihr, merkt Ihr, was da Herzwärmentzückendes erklingt?
Foster, nicht groß, der lange in Frankreich (und Monaco) gelebt hat, kommt ein bisschen daher wie Louis de Funès. Er kann zwar auch den Strengen mimen, den uniformierten Ober-Polizeier, dann aber schwingt die linke Hand („fließen lassen“) durch die Luft, wie der Polizeistock von Flic Funès, wenn der Verkehr rollt. Foster lässt keinen Effekt aus (nicht dass er nach welchen haschte, die gar nicht in den Noten stehen), aber er dirigiert nicht mit harter Hand. Ihre Einsätze kennen die Profis vom Orchester selbst, er ist dafür da, helle Stimmungen noch mehr rosarot zu färben.
Die Schlussätze, auch bei Mendelssohn, nimmt er schnell, aber nicht so, dass sich bei den Holzbläsern die Zungen verknoteten, oder die Staccato-Bogen der Streicher nicht mehr hüpfen könnten. Und auch ums Blech kümmert sich der Maestro. Da wollen ihm denn auch die Hörner zeigen, wie gut sie sein können. Herrlich das Trio im dritten Satz. Gehörte mit zu den schönsten Momenten des ganzen Konzerts.
Zu Beginn Brahms, die Haydn-Variationen. Foster ist, wenn man seinen CD-Katalog anschaut, kein ausgesuchter Liebhaber „schwerer“ musikalischer Brocken. Es muss nicht immer Mahler sei. Und wenn der große Geiger Itzhak Perlmann mit ihm zur Erinnerung an die Kindheit ein Schülerkonzert (von Seitz) einspielen möchte, warum nicht? Macht Foster glatt. Ob nun das Thema, das Brahms variierte, von Haydn stammt oder von Pleyel, wie kluge Leute meinen herausgefunden zu haben, ist letztlich egal. Brahms hat – allein mit seiner Instrumentierung – aus einer leichten klassischen liedhaften Melodie ein romantisches Meisterwerk geschaffen. Das kostet Foster aus. Breit, gemächlich – mit viel Glanz und den vielen kleinen überraschenden Leuchtpunkten quer durch das Orchester.
Ein Konzert, das fröhlich war und Spaß gemacht hat. Und das Juwel funkelte…