Felix B. (wie Bravo) Tannhäuser

Noch zwei Stunden vor Beginn postete Felix flitzbogengespannt auf Facebook. „Heute Abend: “Tannhäuser” in Chemnitz mit einer super Sängerbesetzung!!!! Meine allererste Wagner-Oper und ich freue mich riesig darauf!!! Bitte alle ab 18 Uhr die Daumen drücken!” Hat geholfen. Kurz nach zehn prasselte der Beifall ein auf Felix, den Glücklichen.

Bender hatte schon bei seiner ersten Wagner-Oper einen eigenen Blick auf den Meister vom Grünen Hügel gewagt. Erstens ließ er sich nicht mitreißen von noch so viel effekthaschenden Studio-Aufnahmen oder Konzert-Schnipseln von Vorspiel oder Landgraf-Heil-Huldigungen. Kurzum: Er verschoss nicht schon im Vorspiel das ganze Pulver, sondern hielt Spannung. Das gelang ihm übrigens die ganzen drei Stunden Musik über. Immer neue Spannungsbögen und Entladungen schufen aus dem Graben ein dramatisches Äquivalent zur Handlung. Zweitens machte er selbst die bekanntesten Mitsing-Breie durchsichtig leicht – man hörte jeden wichtigen Kontrapunkt, jedes angedeutete Gegenmotiv. Drittens half er selbstlos den Sängern, donnerte nie über sie hinweg. Spannende Musik vom ersten bis zum letzten Ton, Glanzpunkte, wo sie hingehören, ohne mit der Masse aus dem Graben zu protzen, flüssige Tempi, manchmal eher von innen pulsierende Rhythmen als intellektuelle Taktvorgaben (Chöre!). Die Kollegen von der Robert-Schumann-Philharmonie gingen quer durch gern mit. Technisch haben sie den „Tannhäuser“ eh drauf. Und hat gerade diese Wagner-Oper wunderschöne Tiefen (die viel vom eigenen Klang der Robert-Schumann-Philharmonie ausmachen), so strahlen auch die herrlichen Trompeten oben auf der Bühne.

Das Programmheft stammt nach wie vor von 2009 – samt Bildern, die der Erinnerung nachhelfen. Astrid Weber war damals die Elisabeth mit einem sensationellen Auftritt (zwei Jahre später sang sie die Elsa in Bayreuth), diesmal war die Dänin Brit-Tone Müllertz engagiert. Astrid Weber gab „die Venus mit dem Schlitz im weißen, langen Kleid und einer nackten Schulter, die Elisabeth mit züchtig schlitzlosem weißem, langen Kleid und beide Schultern bedeckt, spielte die reine Verführung, die verzweifelte Keuschheit und die todgeweihte Herzzerissene der mittelalterlichen Macho-Ritter-Welt mit ungeheurer Intensität und Variabilität“, schrieben wir vor vier Jahren bei der Wiederaufnahme. Statt „S“ ein „XXL“:  Brit-Tone Müller trägt als Venus eine rotrauschende Robe, als Elisabeth damenhaftes Schwarz. Sie ist nicht so sehr die Verführung, schon gar nicht die reine Jungfrau –  aber sie singt himmlisch. Sie ist lyrisch genauso gut, wie sie strahlend die sieben Herren im Oktett überglänzt.

Der Bulgare Martin Iliev als Tannhäuser hatte eine wunderbare Szene: Der Bericht des gebrochenen Mannes über seine Rom-Reise, bei der er nicht Vergebung fand, war herzzerreißend. Da passten Stimme und Stimmung – im zweiten Akt war die Stimme mitunter an der Grenze. Gut, dass Bender da half… Iliev, der von der Bariton-Lage her kommt, liebt die Höhen nicht so. Und sein Deutsch, na ja…

Das war ganz anders bei Oddur Jonson, dem isländischen Wolfram. Er war die Überraschung des Abends. Gepflegte Sprache, jede Silbe verständlich – wohl beim Studium im Mozarteum gelernt. Immer präsent, glaubwürdig, eine sympathische, nie erzwungene Stimme, klar, lyrisch, nicht dröhnend, so wie es zu diesem Wolfram passt, der sympathischsten, menschlichsten Figur der ganzen Oper.

Magnus Piontek als Landgraf haben wir zum ersten Mal in dieser Rolle gehört. Unaufgeregt, Macht ausstrahlend. Gut gemacht! Wir haben Piontek schon als Timur („Turandot“) erlebt. Er gehört seit dieser Spielzeit zum Solistenensemble der Chemnitzer Oper. Ein Gewinn.

Seine Kollegen Randall, Winter, Riemer – immer wieder schön, sie zu hören und zu erleben, diese Urgesteine der Chemnitzer Oper. Urgestein passt gar nicht zum elfengleichen Hirtenjungen von Guibee Yang. Aber sie war wieder glockenhell herzerfrischend.

Der Chor, ursprünglich mal einstudiert von Mary Adelyn Kauffmann, hat, wenn das geht, noch an Klasse zugelegt. Toll präpariert von Stefan Bilz, einfühlsam (auch ohne direkten Sichtkontakt) geführt von Felix Bender, ist einer der Erfolgsfaktoren der Produktion. Paar kleine (regieverursachte) Wackler werden sich noch geben.  

Heinickes zeitlose Regiearbeit trägt nun schon mehr als sieben Jahre. Erträgt auch ganz unterschiedliche Protagonisten-Typen. Bemerkenswert.

Neuen Glanz aber hat die Produktion bekommen durch Felix Bender. Tausendsassa! „Haste super gemacht Felix, bin ganz stolz auf dich!“, postete am Sonntag ein Musiker-Kollege auf Facebook. Recht hat er.

Zwei Vorstellungen gibt es noch in dieser Spielzeit: am 26. Februar und am 15. April.