Federleicht

Die Akademisten der Robert-Schumann-Philharmonie sind junge Musiker, Studenten zumeist, die in Chemnitz jeweils eine Spielzeit lang „großes Orchester“ lernen. Aber auch Kammermusik. Lehrmeister, vornehm Mentor genannt, Hartmut Schill, der Konzertmeister selbst. Er wies die Zuhörer in der trotz vieler anderer Vorstellungen (u.a. Premiere „Der rote Ritter“ im Küchwald und abends „Das scharlachrote Siegel“ im Opernhaus) gut gefüllten Jakobi-Kirche auf die sonderliche Satzbezeichnung im Scherzo von Mendelssohns Streichoktett hin. Und er hatte die jungen Kollegen mit dieser neuen Leichtigkeit hörbar beflügelt.

Da huschten die Bögen pianissimo tremolierend über die Saiten, liefen die Läufe kristallklar wie kleine kühle Bergbäche, da zirpten die Pizzikati. Aber Mendelssohn wäre kein 16-jähriger, pupertierender Junge gewesen, wenn er es im Überschwang der Gefühle nicht auch kräftig krachen ließe. „Sinfonisch“ sollte das Oktett klingen – lauteres Forte, wo forte steht, leiseres Piano, wo das „p“ unter den Notenzeilen Flüstern anmahnt.

Üblicherweise wählen die Akademisten für das abschließende Konzert zum Ende ihrer Spielzeit in Chemnitz ein Stück, in dem sie so richtig zeigen können, was sie alles gelernt haben. Etwa Max Bruch wie letztes Jahr oder Grieg, wie 2015. Aber Schill lag schon richtig mit seiner Bemerkung: „Am liebsten würden sie jedes Jahr diesen Mendelssohn wählen“. Warum? Beim Rausgehen gab Thomas Bruder (Solocellist der Philharmonie und mit dem Bratscher-Kollegen Matthias Worm ebenfalls Mentor) die Antwort: „Ach, war das wieder einmal so schön…“

Ja, es gibt niemanden, den dieser Mendelssohn nicht anrührt. Keinen Musiker, der das Oktett nicht mit Begeisterung spielt. Und wenn sich die erste Geige hinaufschwingt im ersten Satz zu dem Thema, das man am liebsten mitsingen will, dann kümmern sich die anderen, ständig Blickkontakt untereinander, darum, dass das Fundament stimmt. Mendelssohn ist da nicht zimperlich, was die Schwierigkeiten in den einzelnen Stimmen angeht. Aber nirgendwo angestrengte Gesichtszüge, nur ja keinen Pizzikato-Halt verpassen, nur ja keinen dieser teuflischen Läufe verschmieren. Nein, sie lächelten einander zu. Und die Kollegen (außer Schill Sophie Keiter, Geige, Albrecht Kunath, Bratsche, Julia Flögel, Cello) ließen sich einfangen von dieser Begeisterung. Und dem Können der Jungen. Die „auf Augenhöhe“ musizierten (was ein blödes Bild ist, aber stimmt).

Was sie können, das hatten die Akademisten Eunsil Kan und Kyoungjie Kim (Geige. Kim ist erst seit März dabei. Die Vorgängerin hatte die Segel gestrichen…), Maria Kaiser, Bratsche (deren Vorgängerin war vom Fleck weg aus der Akademie in ein großes Orchester engagiert worden) und Stephan Lormes, Cello, schon zu Beginn mit Beethovens „Harfenquartett“ bewiesen. Eine gute Wahl, auch wenn Kritiker dieses opus 74 für nicht besonders gelungen halten. Beethoven habe vorher und nachher bessere Quartette geschrieben. Quatsch. Dem Publikum hat es von der ersten Aufführung an immer gefallen.

Gleich zählt’s: Hartmut Schill mit den Akademisten beim letzten "Feinschliff". Bratscher Albrecht Kunath, selbst beim Mendelssohn dabei, stellte das Bild begeistert von der Professionalität der jungen Kollegen noch während der Probe ins Netz

In dem Quartett ist alles drin – nachdenkliche Langsamkeit und schneller Furor, jede Stimme darf sich zu Wort melden, und selbst an Virtuosität hat Beethoven nicht gespart (Kadenz im ersten Satz). Was bei der Aufführung am Samstagabend aber besonders gefiel, war nicht die Pizzikatostelle, deretwegen die Leute, nicht Beethoven, das Quartett „Harfenquartett“ nannten. Nein, es waren die dynamischen Feinheiten – das aus lautem Forte hinabsteigen ins aushauchende Pianissimo mit auch nicht dem kleinsten Bogenzitterer beim Aufsatz zur letzten Staccato-Note. Und die Aufschwünge zu strahlendem Glanz. Die jungen Musiker haben das perfekt gemacht. Profis bereits. Jetzt gehen sie (nur Kim bleibt, weil sie so kurz da war) hinaus in die Orchester-Welt und machen Karriere. Bestimmt.

Da ist sich auch Raimund Kunze sicher, der Orchesterdirektor der Robert-Schumann-Philharmonie. Er dankte am Ende den Mentoren und deren Schützlingen für dieses „wundervolle“ Konzert. Und dem Theaterförderverein, der seit vielen Jahren die Akademie finanziert.

Riesenbeifall. Gar nicht leggierissimo…