Englischhorn bläst auf dem Kassberg

Das Englischhorn, rieben sich manche die Augen, ist gar kein Horn, sondern eine „tiefe“ Oboe. Und mit England hat das Instrument auch nichts zu tun. Eher mit Engeln. Den himmlischen Klang entlockt dem Instrument Claudia Schöne, seit Jahren Spezialistin an diesem Instrument in der Robert-Schumann-Philharmonie. Am Tag zuvor hatte sie auf der Schlossteichinsel noch für den Pavillon Mozart oboisiert – jetzt also, ein paar Meter weiter, und wieder für Himmels-Lohn, die Engels-Oboe geblasen. Gefällt uns.

An Einfällen nimmt’s der Franzose gern mit Mozart auf: in seinem 1970 (sorry, Claudia Schöne, es waren nicht die achtziger…) Quartett lässt er jauchzen und brummeln, Töne quetschen und Rhythmen stolpern – witzig, spaßig, melancholisch: alles drin. Vertrackt zu spielen, auch für die Streicher (mit Katarzyna Radomska, Violine) vom Mejo-Quartett. Sie hörten aufeinander, sie fingen gegenseitig die Bälle auf, die in die Luft geblasen oder gezupft wurden – sie flicflacten oben, wenn Claudio Schöne unten (puh, braucht’s da Luft…) grummelte.

Das ist eines der Kennzeichen, die die „Spielzeiten“ im Kraftwerk zum Phänomen machen, ein bisschen schon zum Kult: alle kommen in Alltags-Klamotten, Hemmschwellen gibt es nicht, aber musikalisch wird edelste Sonntags-Kost geboten. Das macht den Montag zum Feiertag…

Das komplette Mejo-Quartett (benannt nach dem ersten Chef des Vorläufer-Orchesters der Robert-Schumann-Philharmonie) hatte dafür schon mit dem Eröffnungsquartett gesorgt. Katarzyna Radomska, Benjamin Fuhrmann, Ulla Walenta und Thomas Bruder hatten Haydns Sonnenaufgang-Quartett gespielt. Ein genauso beliebtes wie gefürchtetes Stück Haydn. Nicht wegen des „Sonnenaufgangs“ – so interpretieren manche Wissenschaftler die aufsteigende Anfangsmelodie. Eher schon, weil Haydn der ersten Geige fast ein Violinkonzert auf die Saiten geschrieben hat. Ganz sicher aber wegen des letzten Satzes: Der fängt ganz harmlos an – dann am Schluss ist Lützows wilde Jagd ein Schnecken-Rennen gegen diese furiosen Läufe quer durch in allen vier Instrumenten. Großartig und mit Flinkfingern gespielt, unprätentiös, kein romantischer Zuckerguss auf dem Anfang und im langsamen Satz: Einfach schön. Gute Einführung für die Schöne am Engels-Horn.

„Das war’s“ („leider“), sagte Kraftwerks-Chefin Ute Kiehn, und meinte damit – gut so – nur die „Spielzeit“ in der Spielzeit 2014/15. Im September geht’s weiter. Jakub Tylman, Seele der Kammerkonzerte, sei schon am Terminieren. War er genau zu diesem Augenblick nicht. Da forderte der kleine Nachwuchs auf seinem Arm sein Recht. Ja, Musiker-Kollegen der Philharmonie gesellen sich unter die Zuhörer wie Du und ich, Kinder drunter, Menschen, die in ganz verschiedenen Ländern geboren sind, Alte, viele Junge – ich bin so „glücklich über diesen Mix“, freute sich Ute Kiehn später bei der Ein-Jahres-Feier im smac. Die „Spielzeit“ im Kraftwerk ist schon ein Jahr älter.. Und wird auch immer beliebter.