Elegie. Global.

Ein Chaos-Tag sei es gewesen an diesem Dienstag. Bis jetzt. Nach diesem „brillanten“ Abend sei alles wieder gut, sagte Kraftwerk-Chefin Ute Kiehn am Schluss zum Dank. Für manche der paar dutzend Gäste war das nur ein unangenehmer, aber halt April-Tag. Aber mit dem brillanten Abend hatte sie mehr als Recht. Schön, dass der Brahms auch im dritten Anlauf noch nicht klappte. Nicht nur wegen der Vorfreude auf den 19. Mai, an dem das Sextett endgültig auf dem Programm stehen wird. (Ob’s dann klappt…?). Die Zuhörer im Kraftwerk am Dienstag werden diesen „brillanten“ Ersatzabend nicht so schnell vergessen. Große Gefühle und großartige Interpreten bei Rachmaninow und Dvořak. Das tschechisch-japanische Klaviertrio bot klasse Klassik at ist best.

Die japanische Pianistin heißt Kyoko Nojima-Arbet. Kenner ahnen: ja, sie ist die Frau des neuen 2. Kapellmeisters der Robert-Schumann-Philharmonie, Arnaud Arbet. Und eine wunderbare Pianistin. Rachmaninow hatte nicht so viel Zeit und Gelegenheit wie andere mit der Begabung zum Komponieren. Er musste sich seine Brötchen mit Klavierspielen verdienen und galt weltweit als herausragender Pianist. Wenn sich so einer Noten in die eigenen Wunderfinger schreibt, dann hat es jeder Interpret schwer. Da kann so ein Part im Klaviertrio (élégiaque Nr. 1 g-moll) leicht schwer werden wie ein Klavierkonzert. (Gemeint sind aber nicht die Herz-Schmerz-Teile wie in dem Film „Shine“ tränenrührend verwendet).

Und wenn das Trio „élégiaque“ („elegisch“) heißt, meint das auch nicht Schluchz und Feelings à la Clayderman. Rachmaninows Seele kämpft, manchmal richtig bärig russisch laut (die Akustik im Kraftwerk betont das noch) um die Geliebte, und sie kann auch steppenwind-leise sein (auch das unterstreicht die Kraftwerk-Akustik).

Gipfel aber war zweifellos Dvořáks Dumky-Trio. Dumky hat was zu tun mit Duma, in der überlegt geredet werden soll. Wie sehr das auf die Moskauer Parlamentshörigkeitsbude Putins zutrifft, mag jeder selbst entscheiden. Dumky ist die kleine Rede, der Piccolo-Gesang, voller Elegie und Traum. Und Kraft. Dvořák hat sie in sechs traumhafte Sätze gefasst. Und die drei haben gesungen und gepoltert, dass es ans Herz ging. Ob politisch korrekt oder nicht: Die Zuhörer spürten, dass das die Herzensmusik der beiden Tschechen ist. Dass sie die Lieder mitsingen könnten. Und dass sie auf dem dörflichen Fest mit der kleinen Dorfmusik jederzeit daheim wären – in ihren Melodie-Teilen wie im Schrumm-Schrumm der Begleitung. Was für wunderbare Szenen: die einfingrige Klavierstimme und die begleitenden Streicher, was für grandiose Melodiebögen in Geige und Cello zu perlenden Klavierpassagen.

Die römischen Elegiker haben die schönsten Liebesgedichte im härtesten Versmaß, dem Hexameter und dem Pentameter geschrieben. Dvořák greift ebenso beherzt zu und lässt dann die Streicher zum Dämpfer greifen und im Pianissimo ersterben, dass man heulen könnte.

Leise Sekunden, dann Riesenapplaus. Dieses Trio möchten wir öfter hören. Auch wenn wir uns auf das Brahms-Sextett freuen, das nun schon dreimal verschoben werden musste…

Und Dank an das Kraftwerk für diese schönen Abende. Und an Luděk Růžička, den Geiger, den Musiklehrer an der Städtischen Musikschule, der sie erfunden hat, wie Jakub Tylman, der Motor, heute leise bekannt hat. Jeder Motor braucht einen Anlasser…

Nächster Termin: 19. Mai: Brahms, Streichsextett. Vormerken. Lohnt sich!