Die Wende-Stücke taugten meist nicht viel

„Wir haben in den Klassikern viel wichtigere aktuelle Wahrheiten gefunden, als in den sogenannten Wende-Dramen mit ihren Klischees“, sagte etwa Michael Funke, damals junger Regisseur in Dresden. Zu schnell seien die „journalistischen“ Dramen und Collagen der Stückeschreiber überholt gewesen. Er selbst habe das Glück gehabt, die neue künstlerische Freiheit auch in Performance-Aktionen in ihrer Bedeutung für die Gesellschaft hinterfragen zu können.

Aber „Stoff“ brauchten die Theater. Sie mussten nun darum kämpfen, die Säle wieder voll zu kriegen. Zu viel war sonst los. Die Reihen mitunter leer. Und plötzlich spielte das liebe Geld eine viel wichtigere Rolle. Das Puppentheater, vorher ein eigenständiges Theater mit Intendanten und allem Pipapo, sei deshalb als Sparte Figurentheater in die Chemnitzer Theater integriert worden, berichtete Manfred Blank. Sonst hätte es seinem sicheren Untergang zugespielt. Manfred Blank war seither Direktor des Figurentheaters. Der Publikumsliebling wird am kommenden Dienstag, 3. Februar, mit einer Party im Schauspielhaus in den Ruhestand verabschiedet.

Inhalte und Ästhetik des Theaters mussten neu erfunden werden, der Gegenspieler fehlte. Darauf wies Kathrin Brune in ihrem Impulsreferat hin. Sie betreut die Reihe. Verunsichert geradezu sei man gewesen, sagte Ulrich Lenk, damals junger Schauspieler in Rostock, etwa angesichts der Gewaltausbrüche in der Gesellschaft der Hansestadt. Lenk ging später nach Basel. Außer dass auch in der Schweiz das große Sparen begonnen habe, habe es dort kaum Gemeinsamkeiten mit der Gefühlslage in Ostdeutschland gegeben. Lenk, seit dieser Spielzeit Schauspieler in Chemnitz, zog 2000 nach Berlin: „Die Stadt fasste alle meine Erfahrungen in Ost und West zusammen.“

Der Vorsitzende des Theaterfördervereins, Johannes Schulze, der wieder moderierte, hatte schon zu Beginn über die „unverschämte“ missbräuchliche Aneignung von „Wir sind das Volk“ durch Pegida-Leute gesprochen. Einig war sich die Runde, dass die Theater wie damals sich der Herausforderung durch gesellschaftlich wichtige Strömungen stellen müssten. Banner an den Opern allein genügten wohl nicht. Doch wie? Noch blieb die Frage offen… In eigenen Stücken, in Collagen, in Klassikern? Vielleicht in Ibsens „Volksfeind“, auf den Johannes Schulze verwies? Dort heißt es an einer Stelle: „Die Machthaber gehen nicht gern gutwillig auf Vorschläge ein, die von anderen Leuten kommen. Und deshalb … wäre es nicht unangebracht, wenn wir ein bisschen demonstrierten“. Carsten Knödlers Inszenierung vom „Volksfeind“ geht am 14. Februar erstmals über die Chemnitzer Bühne. Vor 27 Jahren, in der aufgewühlten Zeit ein Jahr vor der Wende, war er zum letzten Mal hier gespielt worden (Regie: Frank Castorf). So schließen sich Kreise.

Die nächste Montagsrunde findet am 30. März 2015 im Schauspielhaus statt.