Johannes Schulze – der Theaterfreund
Für Theater werben. Um Theater kämpfen. Über Theater diskutieren. Immer klare Kante für die Kultur zeigen. Johannes Schulze hat Theater gelebt. Am 28. April 2023 ist der langjährige Vorsitzende des Fördervereins der Theater Chemnitz nach schwerer Krankheit verstorben. Der Kulturmensch hat die Bühne verlassen. Leer zurück bleibt diese aber nicht.
Die immer gleiche Hoffnung vor jeder Premiere: Fasziniert sein. Berührt sein. Elektrisiert sein. Hauptsache nichts Langweiliges vorgesetzt bekommen. Hauptsache kein monotones Einerlei erleben. Wer sich mit Johannes Schulze über Theater unterhalten, ausgetauscht und gestritten hat, erinnert sich an Faszination. Berührtsein. Elektrisierung. Immer gab es was zu lernen aus den Gesprächen mit dem Kulturmann. Immer offerierte er neue Sichtweisen. Nie ließ er einen Nicht-ganz-so-Auskenner dumm aussehen. Und alle seine Theatergedanken gab (und gibt es noch) zum Nachlesen. „Das wussten wir noch nicht: Rudolf Kempe mit Esches verwandt“, schrieb er in einer seiner unzähligen Rezensionen für die Internet- und Social-Media-Seiten des Theaterfördervereins. Da ging es um den Namensgeber der Nachwuchs-Orchesterakademie des Chemnitzer Theaters und die stadtbekannte Strumpffabrikantenfamilie. Er deklinierte deren Verwandtschaftsverhältnis kurzerhand herunter. Johannes Schulze erfand Worte wie „Schmunzelkästner“ (anlässlich 50 Jahre Schauspielkunst Karl-Marx-Stadt/Chemnitz), schrieb über Musiker, die auf Friedhofsvasen genauso wie auf Knöterich-Stangen bliesen (überall, wo ein Mundstück eben draufpasst), brachte Theater in die Sinne all derer, die Vorführungen verpasst haben oder nicht vergessen wollten. Er nutzte dafür Satzdramaturgie wie: Da wanken Berge, zucken Blitze, leuchten plötzlich Augen auf, es knallt und zischt und funk(el)t, ein gigantischer Panzerriese hallt dröhnend dräuende Weisheiten, der gerettete Glücksdrache Fuchur erweist sich als dankbarer Freund und bringt im Video über den Wolken den kleinen Bastian Balthasar Bux heim, Fabelwesen tauchen auf, und kluge Tiere wie der Löwe Graógramán oder Argax, der Affe. Da ging es – klar – um die Premiere für „Unendliche Geschichte“. Johannes Schulzes Rezensionen kamen so uhrwerkpünktlich heraus, dass er einmal, als er nicht gleich eine neue Kritik online stellen konnte, von den Webseitenbetreuern eintippen ließ: „Sorry. Technische Panne. Seit drei Tagen kein Internet.“
Johannes Schulze hat sich von Herzen gefreut, wenn die Schauspielstudenten in ihren Studioinszenierungen „die Sau rauslassen durften“. Hat die Theaterwelt teilhaben lassen, wenn die fünf Sparten des Hauses, für die der Sternbildlöwe zeitlebens gekämpft und gebrüllt hat, die Welt eroberten und auswärts Chemnitz repräsentierten. Hat vor staunenden Salzburger Festspielbesuchern vom Chemnitzer Theater geschwärmt. Hat Rollups zu Fördervereins-Mitglieder-Suchaktionen aufgebaut und gleichzeitig dabei betont, dass Menschen den Erfolg ausmachen und nicht Plakate. Er hat „mit Künstlers samstags zu Mittag gegessen“, wie er immer erzählte, und mit Darstellern und Musikern den Abend ausklingen lassen. Immer mittendrin in der großen Traube seiner Kulturfreundinnen und Kulturfreunde.
Johannes Schulze fehlt. Er fehlt als Theaterförderer. Er fehlt als Theatergast. Er fehlt als unermüdlich schreibender Rezensent. Er fehlt als Unterstützer für den Bühnennachwuchs. Er fehlt als Mensch.
Johannes Schulze bleibt. Er bleibt als Initiator nachhaltiger Theaterarbeit. Er bleibt als Kulturmensch. Er bleibt als Theaterfreund.
Der Vorstand
Foto: Andreas Seidel