Brahms lockt: Volle Bude gleich beim ersten Konzert

2013/14 stand der Brahms schon einmal auf dem Programm – und musste zweimal verschoben werden, weil immer eine(r) krank war. Im Mai 2014, zum Abschluss der damaligen Spielzeit, hat es dann geklappt. Nicht unbedingt CD-reif, aber wunderbare Musik, schrieben wir damals. Musiker und Publikum waren happy.

Nun dasselbe Sextett in neuer Besetzung, hochkarätig: Das Robert-Schumann-Quartett mit Hartmut Schill, Ovidiu Simbotin (Geigen), Matthias Worm (Bratsche) und Tilman Trüdinger (Cello) hatten Jakub Tylman (Cello) und Dagmar Schergaut (Bratsche) dazu gebeten. Vorab: Diesmal war’s (fast) CD-reif. Und wenn sich mal ein leicht falscher Ton in eine wunderbare Kantilene einschlich – was soll‘s: den würde der Tonmeister aus der Wiederholung reinschneiden.

Auch das macht die Spielzeit-Konzerte so interessant: Bei „normalen“ Frack-Konzerten stehen meist drei, manchmal vier Stücke auf dem Programm, dass nur alle zufrieden sind. Da muss dann ordentlich gekürzt werden. Im Kraftwerk gibt’s (meistens) nur eines. Das aber in voller Länge, mit allen Wiederholungen. Herrlich, Phrasen, Kantilenen, Motive nochmal zu hören, die man eben erst kennengelernt hat. Komponisten wie Brahms waren nicht faul. Sie wussten, was sie tun. Zumal in der Vor-Tonträger-Zeit, da man nicht per Knopfdruck repetieren konnte, so oft man wollte. Die Leute sollten ja was mitnehmen…

Dieses zweite Brahms-Sextett (op. 36) ist so schön, dass es jedem den Kopf verdreht, auch wenn er nicht Klassik-Fan ist. Die, ja, süßen Melodien, bisweilen in Schluchzsexten in zwei Instrumenten geführt, die Husch-husch-Fugati quer durch alle Sechs, die parallelen Läufe in makelloser Ton- und Dynamikführung, verrückte polyphone Entwicklungen, leises Grummeln vor dem Forte-Ausbruch wie bei einem Vulkan – ein wunderbares Stück, dieses Brahms-Sextett, eines der schönsten der Kammermusik-Literatur. Und alle dürfen „solistisch“ ran, Bratscherherz, was willst Du mehr, Du darfst auch mal!

Lassen wir das. Darum geht es nicht bei den Spielzeiten. Da erklärt auch keiner, was die da tun. Die tun es einfach. Und tun es professionell. Ja, nicht so ganz fein geschliffen wie für den Krawatten-Auftritt: da darf ein Forte schon mal ein bisschen mehr Effekt machen und ein Piano auch für nicht mehr so gute Ohren ruhig richtig hörbar sein. Musik soll Freude machen. Das ist der Sinn dieser Kaßbergkonzerte. Und das macht sie.

Großer Beifall des Publikums zum Dank an die Musiker, an Ute Kiehn-Dziuballa, die Hausherrin, und an Jakub Tylman, den unermüdlichen Organisator, das Herz der „Spielzeit“, und, nebenbei, ein wunderbarer Cellist. Die Kaßbergkonzerte: Beste Werbung für die Philharmonie. Und, nicht nur am Rande, für ein gutes Miteinander. Wenn von Integration so viel die Rede ist, an Musik dankt dabei kaum wer. Dabei ist sie die Sprache, die alle verstehen. Und im Beifall sind alle gleich. Die Migranten klatschten begeistert mit.

Nächste Spielzeit im Kraftwerk: 24. Oktober, 18 Uhr