Beethoven-Zyklus: 1:0 für die Zweite gegen die Achte

Langer Beifall am Ende. Keine stehenden Ovationen (eine einzelne Dame ausgenommen). Die einen wollten schnell heim, Fußball gucken. Die musikalischen Oberfans, den Giovanni aus Aix-en-Provence auf Arte sehen. Auf’s Konzert bezogen: die Zweite (Sinfonie) schlug die Achte (wie Portugal durch Ronaldo die Tschechen), und die Mozart-Nähe der Zweiten schlug mehr ein als die „modernere” Achte. Auch die „moderne” Inszenierung des „Giovanni” in Aix ist nicht ein Gipfel…

Die Zweite von Beethoven – weithin unbekannt. Alle wollen die Neunte, die Fünfte, die Pastorale oder die Dritte hören (kommen alle noch, außer der Neunten – gespannt bleiben). Die Zweite? Hä? Ja, die Zweite siegte in der Kreuzkirche. Nicht, weil sie mozartscher ist. Es gibt Musikwissenschaftler, die sie mit – nein, nicht Giovanni, mit der „Zauberflöte”- in Verbindung bringen. Mag sein. Ist aber auch egal. Diese heitere Stimmung, immer wieder von Gewittern durchbrochen (wenn etwa die Streicher reinhauen im vierten Satz in Fis-dur), diese Sfortatissmi (wenn’s so was gibt) im ersten Satz nach Pianinissimi, das ist Emotion pur.

Vor genau zehn Jahren hat die Robert-Schumann-Philharmonie diese Sinfonie schon mal in fremder Umgebung gespielt, im Druckhaus der Freien Presse, beim Benefizkonzert nach der Flut. Hartmut Schill hatte mit Mozarts A-dur-Violinkonzert die Grundstimmung angegeben: Wir sind davongekommen, es geht uns gut. Es wird alles wieder. „Amen” – „so ist es” verkündete anschließend Beethovens Zweite.

Diese heitere Stimmung, voller Hoffnung, voller Sonne, war am Donnerstag-Abend auch in der Kreuzkirche zu spüren. GMD Frank Beermann, fordernd bis zu Schweißausbrüchen, konnte sich total auf seine Musiker verlassen, allen offen liegenden flirrenden Geigenstellen zum Trotz oder erst recht, traumhaft, großartig.

Nach der Pause: Rein, sofort ins Thema – sonst nie – außer eben bei der Achten der Beethoven-Sinfonien. Hoppla, da geht ja schon wieder die Post ab… Ob die Zuschauer pausengeschädigt waren oder die Musiker, egal. Irgendwie passte da nicht so alles ganz. Nicht die schwerbäckigen Bläser zu den Spikkato-Geigern, die Sinfonie mit tiefgründigem Humor, wie Schumann festgestellt hat, hatte nicht so ganz den richtigen Lacher, wie bei einer hundert Pro stimmenden Pointe.

Ob’s doch ein bisschen zu schnell war? Wahrscheinlich nicht. Wunderbar die Oboe, als sie kurz nach dem etwas hektischen Beginn die strahlende Ruhe übernahm (Wagner hielt diese Oboenmelodie für ausgemachten kompositorischen Unsinn, weil sie die – für ihn wahrscheinlich deutschere – tiefe Klarinetten-Partie störte), toll die Hörner im Trio des dritten Satzes, das eigentlich kein Trio ist, und noch besser die Cellisten mit ihrem fingerverhakelnden Begleitpart , um nur Beispiele zu nennen. Neee, da muss irgendwas an der Akustik nicht so ganz hingehauen haben – ob die ersten Geigen die Pauken hörten und die zweiten die Klarinetten? Wunderbar wieder, wie die zweiten Geigen und die Bratschen ihre abwechselnden Rhythmusfiguren aufeinander abstimmten – aber sie sitzen ja auch direkt nebeneinander.

Kein Zweifel, die Achte war gut. Nach dem (der Wirkung halber) von Beethoven selbst gegenüber den ersten Aufführungen verlängerten bombastischem Schluss, bricht der Beifall los. Überall. Wie in Chemnitz. Beermann weiß, was er macht. Trotzdem: der Beifall nach der Zweiten, mit dem unprätenziösen Schluss, war deutlicher, herzlicher.

Bei allem: ein wunderbares Konzert. Dritter Konzertmeister (hier Konzertmeisterin) im dritten Konzert. Fast wie gegenwärtig in der Formal eins. Bei jedem Rennen ein anderer vorn. Hat Riesenfreude gemacht. Diese „Begegnungen mit Beethoven” in der Stadt – das ist eine Super-Sache. Danke an Frank Beermann, danke an die Robert-Schumann-Philharmonie und alle Verantwortlichen im Theater. Wir freuen uns auf den Sonntag. Mit den Beethoven-Hämmern – der Fünften und er Sechsten. Im Straßenbahndepot. Wenn Karten zurückgegeben werden – hinstürzen! Das wird ganz große klasse.