Um sich herum sammelte der hochkompetente Dramaturg Jón Philipp von Linden (wir freuen uns schon auf das Programmheft…) die Crème de la Crème der Produktion: GMD Frank Beermann, der die Robert-Schumann-Philharmonie dirigieren wird, die Regisseurin Helen Malkowsky, und die vier Protagonisten unter den Sängern Markus Petsch, Marion Ammann, Klaus Kuttler („ich hab extra nicht gefrühstückt, und jetzt gibt’s hier gar keins…“) und Tiina Penttinen. Sie kam und sang wie die Kollegen, obwohl sie am Nachmittag noch den „Messias“ vor sich hatte.
Heißt was. So leicht die Musik mitunter klingt, so schwer ist sie. Zum ersten Mal in ihrer Karriere, gestand Marion Ammann, habe sie an den GMD eine SMS geschickt und ihn gebeten, eine Arie abzusetzen. Sie könne das nicht. Beermann, so kennen wir ihn, gab natürlich nicht nach. Und inzwischen sitzt de Arie. Petsch spürte man im Duett mit Marion Ammann an, wie schwierig die Tenorpartie ist, in den leisen Höhen erst recht, obwohl sie operettenhaft einfach klingt.
Warum Korngold in Chemnitz so große Erwartungen weckt (und noch mehrfach in dieser Spielzeit auch auf Konzertprogrammen steht: er ist fast „composer in residence“ schloss von Linden daraus) hat im Wesentlichen zwei Gründe.
Knapp ein Jahr nach der Uraufführung des Meisterwerks des noch nicht mal 20-jährigen Korngold gleichzeitig in Hamburg und Köln setzte der damalige Chemnitzer Intendant Richard Tauber die Premiere der Oper am 7. Dezember 1921 auf den Spielplan. Sein später berühmter Sohn (konnte Operetten und Opern gleichermaßen und gleich gut singen, „wird heute nicht mehr gewünscht“, so Beermann) hatte da schon nach Dresden rübergemacht. Wie Korngold, der in Chemnitz war, die Chemnitzer Aufführung beurteilt hat, wissen wir nicht mehr. Wohl aber, dass er Richard Tauber jun. nach der Aufführung in Dresden drei Tage später als den idealen Sänger der Hauptfigur „Paul“ hochpries. Junge, Junge. Das ist eine Herausforderung für Markus Petsch…
Der zweite Grund liegt in der Musik Korngolds selbst. Im Wien des jungen Korngold beherrschte Freud die Intellektuellenszene und die Salons. Freud, der die Seele abgeschafft hatte. Und damit die Harmonie der tonalen Musik. Alle machten sie sich jetzt auf den Weg ins Atonale, die Schöngbergs, Bergs, Zemlinskys, die ganze Wiener Schule. Nur einer suchte weiter nach der Seele, nach tonaler Musik. „Korngolds Kompositionen sind der Gegenentwurf zur Musik seiner Zeit“, formulierte es Frank Beermann. (Und hört sich deshalb, sagen wir es doch offen, für uns viel schöner an als die Herren Zwölftöner & Co.).
Schöner ja, aber nicht leichter. Helen Malkowsky sprach vom „hohen Fluchpotential auf der Bühne“. Noch nie habe sie so oft erlebt, dass ein Sänger bei der Probe – zefix- unterbreche, weil er wieder mal einen Halbton zu tief oder zu hoch gesungen habe…
Schön, dass es diese informativen und atmosphärisch spannenden Opernfrühstücke gibt. Schön der Einblick in die Denk- und Werkstattarbeit der Macher. Helen Malkowsky gestand, dass sie nachts schon träume… Das sind dann aber nicht Freudsche Träume, sondern eher Jungsche. Bei ihm gings nicht wie bei Freud um Aufarbeitung unterdrückter Libido im Traum, sondern um die Aufarbeitung von Alltagsproblemen. Wie Fluchpotentiale…
Harte Arbeit liegt noch vor den Mitwirkenden in den nächsten zwei Wochen. Wir haben es einfach: Wir freuen uns auf Korngold und seinen Traum: Ein großer Teil der Oper stellt sich als – zwar „realistischer“ (Malkowsky), aber dennoch als – Traum heraus…