Weiter so! Wir drücken die Daumen

Seit neun Jahren mittlerweile werden bei der Robert-Schumann-Philharmonie Akademisten ausgebildet – junge Profimusiker von Hochschulen (diesmal aus Weimar, Leipzig und Dresden), die Praxis lernen in einem der besten deutschen Sinfonieorchester. Der Förderverein unterstützt sie und wird das auch weiter tun, wie der Vorsitzende, Johannes Schulze, versprach. Vielleicht, so regte er an, ist es ja auch einmal möglich, die jungen Musiker und die jungen Schauspieler (in der neuen Spielzeit aus Graz und Zürich) vom Studio, die der Förderverein ebenfalls finanziell fördert, zu einem gemeinsamen Auftritt zu vereinen.

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Hartmut Schill: Mentor der Akademisten

ut Schill, Konzertmeister der Philharmonie und Mentor der jungen Musiker, brach sie auf, die Jungen, die so gut musizieren, aber im Sprechen über sich noch ein bisschen gehemmt sind. Und er entlockte ihnen amüsante und interessante Details aus ihrem Leben.

Zum Beispiel, warum die (bisher) weitest entfernt geborene Akademistin, Akiko Hasegawa aus Japan, Deutschland mag, und sich dann doch wieder nach der fernöstlichen Insel sehnt. Sie genießt hier eine traumhafte Ausbildung und mag ihren Chemnitzer Mentor Thomas Bruder sehr. Aber mit dem deutschen Essen – o je, o Gott… Da kann sie sich nicht so recht anfreunden. Dafür liebt sie Kammermusik, was wiederum Hartmut Schill außergewöhnlich gefiel: Er hat schon vor mehr als 20 Jahren sein erstes Streichquartett gegründet. Akiko Hasegawa fliegt mindestens einmal im Jahr nach Japan zurück, um dort Kammermusik mit Freunden zu machen. Heimweh – hier nach japanischem Essen, dort nach europäischer Musik. Am Sonntag spielte sie in wunderbarer Perfektion und Tonreinheit einen Satz aus der G-dur-Suite von Max Reger, der so viele Beziehungen zu Chemnitz hatte (was die kleine Akiko wahrscheinlich gar nicht weiß). Die besten Reger-Schüler waren alle in Chemnitz (Organisten allesamt, begeistert von der vielfältigen Orgel-Landschaft in Chemnitz). Und sie spielte ein kleines japanisches Lied – „der Mond über dem Schloss“, übersetzte sie den Titel der gar nicht fremd-japanisch klingenden Melodie.

Die Geschichte des DDR-Stuhls von Omas Speicher entlockte Hartmut Schill dem Schlagzeuger (der erste Schlagzeuger während neun Jahren Akademisten-Ausbildung!) Lukas Grunert. Lukas, blütenweiße Hose, blaues Hemd (alle anderen in ernstem Klassikmusikschwarz), ist der geborene Schlagzeuger. Wenn die Wellen schlagen an den Strand…? Der Rostocker wollte von Kind auf Schlagzeuger werden. Band, Metal, klar. Dann der Lehrer. Klassik, ein bisschen? Versucht und geklappt. Lukas Grunert spielte auf dem Marimbaphon – wuih, ja, einen Satz aus der E-dur-Partita von Johann Sebastian Bach, und Hartmut Schill – so geht’s Geigern, spürte plötzlich seinen getapeten linken gequetschtheilenden Zeigefinger, weil er die ursprünglich für Geige geschriebenen Noten unwillkürlich mitgriff. Aber Lukas‘ Prachtnummer ist die mit Omas DDR-Stuhl. Der klingt einfach besser als moderne IKEA-Möbel, weil mit Liebe und handwerklichem Können gefertigt, meinte er. Auf dem Stuhl und mit ihm zaubert Lukas ein Solo hin, das begeistert. Zum 20. Jubiläum des Theaterfördervereins beim Theaterfest in Chemnitz hat er damit schon Beifallsstürme hervorgerufen- und sich Solo-Auftritte in MeckPom und beim Rheingau-Festival an Land gezogen. Den jungen Mann, kürzlich auch bei Raschs „Temperamenten“ im Sinfoniekonzert zu erleben war, werden wir uns merken.

Wie Hartmut Schill sich „seine“ Akademisten merkt und deren Karrieren verfolgt – offenbar ist die Robert-Schumann-Philharmonie nicht nur ein gutes Orchester, sondern eine Praxisausbildung hier auch ein federndes Sprungbrett zu Karrieren bis in sogenannte Spitzenorchester wie die Dresdner Staatskapelle. Nicht immer reicht, was Studenten an den Musikhochschulen lernen. Der junge Akademisten-Bratscher Matthias Wähner etwa spricht mit höchster Achtung von seinem Chemnitzer Vornamensvettermentor Matthias Worm. Bratschen lernt man nicht nur im Studium oder im stillen Übe-Kämmerlein, sondern sogar eher in der Praxis. Und erst recht bei der Robert-Schumann-Philharmonie in der Bratschengruppe. Wo auch eine „Edel-Bratcherin“ spielt, wie wir lernen konnten:
Ulla Walenta. Die keinen Umweg über die Geige gemacht hat – und lebendiger Gegenbeweis gegen das („können wir alles vergessen“ – Hartmut Schill) alte Vorurteil ist, Bratscher seien nur Geiger, die nicht gut genug sind für die Quinte höher… Matthias Wähner hat den Umweg gemacht – aber heute fühlt er sich mit seiner Bratsche (sau-)wohl. Und wie, das zeigte er so sonor, wie es Geiger gar nicht können, bei den ersten beiden Sätzen von Schumanns Märchenbildern op. 113.

Jeffrey Goldberg, der Solo-Repetitor, begleitete ihn so unauffällig wie gut und einfühlsam wie später den Geiger Michael Schmidt, der sich – Himmel, am frühen Morgen – die verflixte Moses-Fantasie von Paganini auf die (ja!) beiden Pulte gelegt hatte. Bei diesem Zauberstück auf der G-Saite (Schill: Paganini soll seine drei anderen Saiten kaputtgespielt und einfach auf der G-Saite weitergemacht haben) geht es in die weiß-ich-wievielte Lage auf der dunkelsten Saite der Geige – andere ruhen sich bei diesen Höhen längst auf der E-Saite aus… Auch Michael Schmidt eine „Neuheit“ in neun Jahren Akademisten-Ausbildung: der junge Student aus Weimar ist der erste Chemnitzer Akademist. Und spielt jetzt an der Seite seines Vaters Lutz Schmidt, der lange Jahr Mitglied der Robert-Schumann-Philharmonie ist. Ob ihm das was ausmache, fragt Schill? „Ein bisschen mehr Druck“ verspüre er schon, so der junge Geiger, der die Langsamkeit lernen will (die zweiten Sätze, die ganz viel Ton verlangen) -während er sonst technisch mit Paganini, Wieniawski & Co. gern brilliert. Sich einpassen in ein Orchester – das sei schwierig, das müsse man lernen, sonst (auch im Duo mit seiner Partnerin an der Harfe) sei er viel freier. Hoppla (oder wie das auf Japanisch heißt), wird sich da Kollegin Akiko Hasegawa gedacht haben. Sie hat mit drei Jahren angefangen, Cello zu spielen, nach der Suzuki-Methode (heißt: ohne Noten, rein nach den CD-Klang abtastenden Ohren): das sei viel strenger gewesen. Sie erlebt im Orchester die reine Freiheit.

Und die nahmen sich die jungen Streicher-Akademisten bei der Auswahl ihres gemeinsamen Stücks. „Sie haben sich nicht gerade was Leichtes rausgesucht – mit den solitischen Parts für alle drei Stimmen“. Jawohl, Herr Schill, und dann noch Es-dur (sie spielten Mozarts Divertimento Es-dur) am frühen Morgen – bei all den schnellen Sechzehnteln zwei Saiten tabu… Die können was, und sie trauen sich was, die Jungen.

Das honorierten nicht nur die Zuhörer, darunter viele vom Förderverein, mit großem Beifall, sondern auch Susanne Fohr, die Orchester-Direktorin, und Friedemann Sammler, der Orchester-Vorstand.

Sie waren nicht dabei, und ärgern sich jetzt? Nicht ärgern. Termin vormerken: Am 16. Juni geben die Akademisten in der Jakobi-Kirche wieder ein eigenes Akademisten-Konzert. Das wird wieder rischdsch gut.